USA 5 - Utah Teil 3

La Sal National Forest
Nach all den Eindrücken und Erlebnissen der letzten Tage, ja Wochen, bräuchten wir eigentlich mal wieder etwas Pause. Wir merken das daran, dass wir einerseits etwas schusselig werden weil wir mit den Gedanken weiss Gott wo sind, und wir uns anderseits unnötig an Kleinigkeiten nerven. Dann schrillen die Alarmglocken und wir versuchen einen Pausentag einzulegen. So ist es eigentlich auch jetzt geplant. Wir können uns nicht wirklich für eine Richtung entscheiden. Nach Osten geht’s nach Colorado und die Rockies, dagegen sprechen die bereits recht kalten Nächte und die Tatsache, dass es schon Oktober ist. Südöstlich lockt New Mexico mit Sonne, Wüste und vielen Anasazi-Ruinen, allerdings werden wir in Mexico noch genug und richtig alte Ruinen erkunden. Im Süden geht’s nach Arizona, ich denke da an Flagstaff, Phoenix und die Route 66, oder direkt nach Südosten, denn das Gebiet mit dem kompliziertesten Namen Utahs, das Grand Staircase Escalante National Monument (GSENM) ist ein fester Programmpunkt… Hmm… es ist nicht einfach. Wir brüten über der Karte und diskutieren Vor- und Nachteile. Schlussendlich macht Utah das Rennen, mit Abstechern nach Arizona, denn wir müssen uns einmal mehr eingestehen, dass wir einfach nicht alles sehen können, zumal uns der Winter im Nacken sitzt, und dem wollen wir keinesfalls auf dem Colorado-Plateau ins Angesicht blicken. Als weiterer Vorteil können wir so noch ein Stück unserem sagenhaften Offroad-Track mit Abenteuer-Garantie folgen.
Um nun ein gemütliches Plätzchen für besagten Ruhetag zu finden, fahren wir Richtung Berge südlich des Canyonlands Nationalparks. Wir gewinnen an Höhe und zur abendlichen Bise gesellt sich ein massiver Temperaturabfall, so dass wir am Abend sogar seit langem wiedermal die Standheizung in Betrieb nehmen müssen. Durch die Nacht lassen wir sie nie laufen, aber was für ein Luxus am Morgen im Bett zu bleiben, bis die Heizung ihre Wirkung entfaltet und die warme Luft von unten die Matratze wärmt… Dani ist natürlich schon laaaange auf den Beinen und pröbelt an Langzeitaufnahmen mit der GoPro rum. Wir beschliessen uns einen weniger windigen Platz zu suchen und packen zusammen. Da wir im Moment eben etwas kopflos sind, vergewissere ich mich bei Dani, ob er die GoPro wieder eingepackt hat und grinsend hält er sie mir unter die Nase. Schon gut, lieber einmal zu viel nachgefragt…
Wir fahren durch unglaublich schönen Herbstwald. Die Espen leuchten gelb, die Eichen rot und der Wachholder grün. Dazu stahlblauer Himmel, so lieben wir den Herbst! Am Mittag haben wir unseren perfekten Platz gefunden. In einem Wachholderwäldchen oben an einer Felskante mit endloser Aussicht und windgeschützt. Nach einem Imbiss wird die Hängematte montiert, als Ablage für Buch und Getränke dient unser ultrapraktisches Allzweck-Minitisch/Scheemeli - welches nicht an seinem Platz ist. Hatte Dani nicht heute morgen noch die GoPro darauf positioniert? Er hat doch wohl nicht... ein fragender Blick zu Dani, doch, hat er! GoPro mitgenommen und Scheemeli dagelassen, hhmmpfh… so viel zum Thema schusselig. Ich leg mich in die Hängematte und sage gar nichts, hätt mir nämlich genau gleich passieren können. Es ist ja nur ein billiger Hocker von Obi. 8 Franken hab ich dafür bezahlt, so was gibt’s bestimmt überall zu kaufen also kein Stress...

Eine halbe Stunde später sitzen wir wieder im Auto und lassen das Navi den kürzesten Weg zurück zum letzten Schlafplatz berechnen. Jaa… es ist halt ein spezielles Scheemeli das wir ständig brauchen und ausserdem perfekt in die Nische im Auto passt. Zwei Stunden später erreichen wir unseren heutigen Ausgangspunkt wieder und finden das Corpus delicti unbeschadet auf der Lichtung vor. Nun wieder vollständig bestückt fahren wir noch ein paar Meilen und landen in einem anderen Wachholderwäldchen mit Aussicht. Zufrieden lieg ich in der Hängematte, lege Tablet und Buch aufs Scheemeli und erfreue mich noch ein paar Minuten an der untergehenden Sonne, bevor mich die Bise aus der Hängematte ins Auto treibt, ich fühle mich so richtig erholt nach unserem „Ruhetag“.
 
Über Nacht hats geregnet. Die gestern noch feste Dirtroad hat sich in eine Schlammpiste verwandelt. Bereits nach wenigen Metern hat sich das Profil unserer neuen Reifen mit zähem Morast gefüllt und nur mit Ach und Krach - und Danis Fahrkünsten - erreichen wir die Passhöhe wo wir uns angesichts des ausgesetzten Weges und der steilen Kurven erstmal beratschlagen wollen. Als wir auf dem nächsten Hügel einen querstehenden PW entdecken, lassen wir Tico stehen und eilen zu Fuss zu Hilfe. Mit Danis Hilfe schaffen es die zwei Damen, ihr Auto wieder in Fahrtrichtung zu bringen aber nach unseren Schilderungen des weiteren Weges entschliessen sie sich, denselben Weg zurück zu fahren. Ein mittlerweile noch dazugestossener Jäger bringt uns - auf der Pritsche seines Pickups stehend - in halsbrecherischer Fahrt zurück zu Tico. Dazu muss man aber noch sagen, dass die Sonne in der Zwischenzeit bereits tüchtig am Werk war und den Track etwas getrocknet hat, so wagen auch wir die Weiterfahrt und erreichen das Tal ohne nennenswerte Probleme aber mit einem komplett eingesauten Auto. In Blanding erholen wir uns erstmal einen Tag am See - gezwungenermassen - da in diesem Nest doch tatsächlich der Supermarkt Sonntags geschlossen hat, wo gibt’s denn das noch!?


Utahs Süden
Gar nicht böse, dass im Moment grad mal fertig ist mit Bergen und Wäldern fahren wir in den Süden Utahs, um uns erneut an roten Felsen und grandiosen Canyons zu erfreuen. Wir erkunden einige Felsruinen der Anasazi mit dazugehörigen Felsmalereien und geniessen die Wärme und das schöne Wetter in dieser trockenen Region. Unser Track führt uns wiedermal zuverlässig durch grandiose wie auch einsame Landschaften, seit Tagen haben wir weder Asphalt noch Camper gesehen. Am Muley Point, am Rande des Hochplateaus starren wir fassungslos hinunter in Tiefe, der Blick schweift über das Valley of the Gods (Tal der Götter), im Hintergrund das Monument Valley und wir fühlen uns so unendlich klein in dieser grenzenlosen Weite…
Die Spitzkehren des berüchtigten Moki Dugway erweisen sich als halb so wild und bald fahren wir durch das einsame Valley of the Gods. Der Mythologie der Navajos zufolge sind die mächtigen Sandstein-Monolithen und Felsnadeln versteinerte Krieger, die zum Schutz angerufen werden können und deren Stärke und Macht die jungen Männer auf dem Weg in den Krieg begleiten (geklaut von Wikipedia).
Heute heissen die Monolithen touristenwirksam Battleship Rock (Schlachtschiff-Felsen), De Gaulle and his troops (De Gaulle und seine Truppen) oder Seven Sailors (Sieben Segler), die Phantasie der Namensgeber scheint hier keine Grenzen zu kennen.
Bei Mexican Hat erreichen wir wieder den Highway und reihen uns ein in den Strom von Campern und riesigen Wohnanhängern. Aufgrund der Touri-Horden und langer Schlangen vor dem Monument Valley beschliessen wir grad spontan weiterzufahren. Zu gross ist der Schock nach Tagen der Einsamkeit.

 
Arizona
Mit dem Highway erreichen wir auch Arizona, unseren 7. Bundesstaat. Wir fahren durch Navajoland und alle paar hundert Meter entdecken wir einen Stand mit selbstgemachten Schmuckstücken und indianischem Handwerk. Der massive Abfall zu beiden Seiten der Strasse besonders in Form von Bierdosen und -flaschen stimmt uns nachdenklich. Wir haben ein Déja-Vu und erinnern uns an ähnliche Bilder aus Australien rund um Aborigines-Siedlungen. Auch hier ist die Geschichte der First Nations (Indianer) keine schöne und es ist traurig zu sehen, was von dem ehemals so zahlreichen und stolzen Volk geblieben ist. Wir gewinnen den Eindruck, dass der Name „Navajo“ gerne zu Touristenzwecken vermarktet wird, aber aufgrund unseres oberflächlichen Einblicks hüten wir uns davor, ein Urteil zu bilden. Trotzdem oder gerade deswegen besuchen wir das Navajo National Monument um mehr über die frühe Besiedlung zu erfahren, aber auch, weil es weit und breit die einzige freie Übernachtungsmöglichkeit bietet, denn wildes Campen im Indianerreservat kann sehr teuer zu stehen kommen.

Vor dem Visitor Centre stellen wir unseren in rotem Staub getarnten Tico neben einen Landrover mit Zürcher Kennzeichen, leider sind die Besitzer nirgends zu sehen. So schlendern wir durch die Ausstellung bevor wir uns auf den Trail zum Aussichtspunkt begeben, von welchem man das Felsenpueblo (Dorf) auf der anderen Talseite gut sehen kann. Als wir zurückkehren ist der Landi verschwunden. Wir sehen ihn aber wenige Minuten später auf dem kleinen, nur spärlich besetzten Campground und lernen seine Besitzer Ruedi und Elvira kennen, die auch seit diesem Frühling durch Nordamerika touren. Wir verbringen einen unglaublich lustigen Abend miteinander und hoffen, uns irgendwo in Mexico wieder zu sehen.
Unsere nächste Station ist Page, die einzige Stadt in der weiteren Umgebung mit gescheiten Versorgungsmöglichkeiten. Direkt am Colorado und Lake Powell gelegen ist die Stadt ziemlich auf Tourismus ausgelegt und gefällt uns nicht sonderlich. Eigentlich wollten wir den Antilope-Canyon besuchen, einen farblich besonders schönen Slot-Canyon aber die unverschämt hohen Preise und die langen Schlangen vor dem Eingang lassen uns dieses Vorhaben schleunigst wieder vergessen. Wir verlassen Page und unseren Platz mit Aussicht über dem Lake Powell am frühen Morgen mit vollen Tanks und Kühlschrank und fahren zum berühmten Horseshoe Bend Lookout über dem Colorado auf Anraten der netten Dame aus dem Visitor Centre. Wir hätten die Dame erwürgen können: Kein Wunder hats keine Leute um diese Zeit, das Licht ist ein Desaster zum fotografieren! Auch nach einer halben Stunde Wartezeit schaffen wir es nicht, brauchbare Fotos zu machen, denn die gewaltige Schlucht mit dem Colorado liegt am Morgen komplett im Schatten. Etwas enttäuscht ziehen wir weiter, soo toll ist der Anblick nun auch nicht, dass es sich lohnt, stundenlang zu warten, auch wenn der Anblick der in der Zwischenzeit eingetroffenen höchst motivierten asiatischen Touristen sehr amüsant ist!
Auf dem Weg zum Vermilion Cliffs National Monument fahren wir einen Umweg zum Marble Canyon, wo der Paria in den Colorado River fliesst. Auf einer schweisstreibenden und abenteuerlichen Kletterpartie erkunden wir den Cathedral Wash, einen zerklüfteten Canyon, welcher widerum beim Colorado endet.


White Pocket
Das spezielle am Vermillion Cliff ist zum einen die bekannte „Wave“ - eine wellenförmige Slickrock-Formation, für welche man allerdings eine von 10 täglich verlosten und heissbegehrten Permits benötigt - und zum anderen die ziemlich unbekannte „White Pocket“, eine weitere Felsenlandschaft, die in Farben und Formen einzigartig ist. Um die Wave kümmern wir uns später und fahren erstmal die White Pockets an. Der Weg führt viele Kilometer tiefsandig durch karge Halbwüste - ein weiterer Grund weshalb sich hier keine Menschenmassen finden. Wir sind völlig fasziniert von der surrealen Landschaft und legen spontan einen Ruhetag ein, um in Ruhe die Gegend zu erkunden. Die Felsgebilde erinnern an Ice-Cream, Schoko- und Himbeersauce. Nein, wir waren weder auf Süssigkeitsentzug noch sonst im Delir… Schaut Euch die Fotos an!


Kanab
Am nächsten Tag fahren wir nach Kanab, wo sich das Visitor Centre befindet, in welchem die tägliche Wave-Lotterie stattfindet. Pünktlich um 08.30 finden wir uns, gemeinsam mit Dutzenden anderen Touristen, dort ein um unser Glück für 2 von 10 täglichen Permits herauszufordern. Erst werden uns mit vielen Worten die Spielregeln erläutert, dann werden wir in den Lotterieraum geführt, wo jede Partei ein Formular ausfüllen muss. Danach werden alle Namen verlesen und eine Nummer zugeteilt, und dann endlich wird die Bingokugel gedreht. Wir kommen uns vor wie beim Final von Germanys next Topmodel und würden wir nicht unglaublich gern diese verdammte Wave sehen, wären wir schon lange geflüchtet. Aber so sitzen wir geduldig auf unseren Stühlen und spielen das Spiel mit, welches ausser den Rangern niemandem so wirklich Spass zu machen scheint. Nach dem hundertsten Mal „…nur EINE kann Germanys….“ äh nein „nur ZEHN Leute haben die Ehre, morgen, bla bla…“ verliest der Ranger mit viel Dramatik und Kunstpausen die gezogene Nummer. Eine Sechsergruppe, na toll! Als nächstes wird eine Vierergruppe gezogen und schon wars das für heute. So ein Blödsinn… schnell verlassen wir den Ort, wenden uns Plan B zu und fahren in den Escalante. Der „Grand Staircase Escalante National Monument“ ist eine riesige, mit Felsen versetzte Halbwüste, welche erst 1996 von President Bill Clinton zum Naturschutzgebiet ernannt wurde. Bis auf eine geteerte Strasse gibt es im ganzen Gebiet nur Dirtroads, welche bevorzugt mit einem Geländewagen befahren werden. Abgesehen von vereinzelten Klohäuschen dann und wann ist der Park ausserdem frei von jeglicher Infrastruktur, so dass man hier eher wenig Touristen trifft, denn wer hier her kommt muss Zeit mitbringen. Es gibt unglaublich viel zu entdecken hier, doch nur die wenigsten der Canyons und Felsformationen liegen am Weg und nicht selten muss man sich auf Mehrtageswanderungen begeben um zu den versteckten Schätzen des „Escalante“ zu gelangen. Auf dem Weg nach Norden erkunden wir bereits einige Canyons, aber die Hauptattraktionen heben wir uns für später auf. Erst ziehts uns in eine ganz andere Welt:


Bryce Canyon Nationalpark
Leuchtend rot und zerklüftet, so soll der Fels im Bryce Canyon sein. Millionen kleiner Türmchen, die sich dicht gedrängt in den Himmel erheben. Die Bilder im Reiseführer sehen zu unglaublich aus um echt zu sein - so wollen wir uns selbst davon überzeugen. Gegen Abend kommen wir in die Region und quartieren uns im National Forest ein, unweit eines völlig überteuerten Campingplatzes, dessen WLAN wir indes mit unserer Antenne einfangen und nutzen.
Am nächsten Morgen fahren wir ein in den National Park. Für unseren Geschmack hat es viiiel zu viele Menschen, so fahren wir bis zu einem weiter entfernen Parkplatz und starten von da unsere Wanderung durch den Canyon. Ganz alleine sind wir da natürlich auch nicht, aber bald vergessen wir die vielen Leute ob der surrealen und wunderschönen Landschaft, in welcher wir uns befinden. Auf unserer schweisstreibenden 9 km Auf und Ab-Wanderung auf dem Peekaboo-Trail schiessen wir bestimmt Hundert Fotos - das Sortieren wird wieder zur Qual. Am Nachmittag ruhen wir uns nochmal an unserem Wifi-Platz aus und heben uns die weiteren Attraktionen für den nächsten Tag auf. Dann reichts aber wieder für lange mit den Menschenmassen und wir flüchten zurück in den Escalante.


Escalante
Über eine Woche verschluckt uns das riesige und einsame Gebiet. Wir fahren die „Hole in the Rock“-Road bis ganz ans Ende und überblicken noch einmal den Lake Powell. Wir wandern Peek-A-Poo und Spooky, zwei coole Slotcanyons, suchen den Weg zum Broken-Bow-Arch durch halbausgetrocknete Bachbette und sehen Wanderern zu, die sich beim Coyote Gulch durch den „Crack in the wall“ zwängen. Devils Garden, Witch Canyon, Cosmic Ashtrey, wir fahren kreuz und quer durch die Steppen- und Wüstenlandschaft und sehen uns die bizarren Felsen an. Wir fahren den Burr-Trail im Nordosten, der uns bis zur Grenze des Capitol Reef Nationalparks führt und die Hells Backbone-Road - ja klar sind wir sie nur des Namens wegen gefahren. In Escalante nochmal Wasser- und Dieselvorräte auffüllen und ein letztes Mal eintauchen, bevor wir via Cottenwood Road endgültig den Park verlassen. In Kanab nehmen wir zu unserer Beschämung noch einmal erfolglos am Wave-Spiel teil, aber es soll keiner sagen, wir hättens nicht versucht.
Vielleicht wollten wir auch einfach nur den Abschied von Utah hinauszögern. Während ihr wahrscheinlich darauf hofft, dass wir endlich von anderen Dingen als Felsen und Steinen schreiben, hat uns dieser Staat völlig in seinen Bahn gezogen. Eigentlich bräuchten wir mal ein paar Tage Ferien um die ganzen Eindrücke verarbeiten zu können, doch bereits ist unser Fokus auf das nächste Highlight gerichtet und dieses liegt in Arizona. Für die die es noch nicht erraten haben ein kleiner Tipp: Man nehme die Alpen, drehe sie auf den Kopf und drücke sie wieder in die Erde… alles klar? Auflösung folgt…

Nach oben