USA 3 - Utah Teil 1

Häufig werden wir gefragt: Wie findet Ihr bloss immer wieder solch tolle Fleckchen fernab der Zivilisation? Einerseits sind wir sehr gut mit elektronischem Kartenmaterial versorgt, andererseits haben wir auch ein paar richtig coole Offroad-Tracks gefunden - oder bekommen, wie der Track dem wir seit Wyoming folgen. Diesen haben wir von Heather & Dave (ridingfullcircle) bekommen, die wir in Alaska kennengelernt haben und planen, auf ihren Motorrädern die ganze Welt zu umrunden.
Abgesehen vom Nationalparkführer haben wir keinen Reiseführer in Buchform für die USA, denn die einzigen die man hier kaufen kann sind die von Lonely Planet und National Geographic, und beide sind für Overland-Reisen nicht das Gelbe vom Ei…
So müssen wir uns mit dem begnügen, was wir aus Reiseberichten erfahren oder aus den zahlreichen Prospekten, die wir jeweils aus den Visitor Centren tragen.
Der USA-Track ist für uns ein Segen, führt er uns doch praktisch an jeglicher Zivilisation vorbei durch National Forests und Gegenden, die häufig nur Ortskundige kennen. Fragten wir uns am Anfang noch, wieso wir gewisse Ecken und Bögen fahren sollen, wissen wir mittlerweile genau, dass dort jeweils ein ganz besonders schönes Fleckchen Erde oder eine abenteuerliche Dirtroad auf uns wartet.
 
Wasatch-Cache National Forest
In Ogden, nördlich von Salt Lake City bunkern wir nochmals ordentlich Vorräte, Wasser und Diesel und verlassen Utahs bevölkerungsdichteste Region Richtung Osten. Langsam erscheinen sie die roten Felsen, und sogar auf dem Highway, dem wir ausnahmsweise ein paar Meilen folgen, präsentieren sich uns erstaunliche Fotomotive. Die Vorfreude auf das „Red Centre“ ist riesig, doch erst folgen wir unserem Track vertrauensvoll in die Wälder des Wasatch-Cache National Forest, auf Wegen die wir auf keiner Utah-Karte finden. Erst Tage später sollten wir wieder ausgespuckt werden. Hier gibt es keine Mietcamper und auch keine asiatischen Reisegruppen, nur einheimische Jäger, Offroader und ein paar Wanderer. Haben wir vor wenigen Tagen 2‘400 müM noch als hoch empfunden, kurven wir hier durchschnittlich auf 2‘800 müM und erreichen am Bald Pass mit 3‘250 müM einen neuen Rekord! Tico meistert die Höhe ohne nennenswerte Eskapaden. Seit ihm Dani einen auf sein Motörchen angepassten Cocktail aus Diesel (möglichst von Conoco/Phillips66), Diesel-Additiv und Cetane-Booster zusammenmixt, hält er sich mit der entsprechenden Tourenzahl auch in der Höhe und auf Steigungen recht gut - vom Rauchen mal abgesehen aber das tun andere noch viel mehr.
Mit der Besteigung des Bald Mountains erreiche auch ich einen neuen Höhenrekord auf dieser Reise und trotz übler Kopfschmerzen am Morgen bereitet mir die Höhe (3‘700 m) diesmal überhaupt keine Probleme. Überwältigend ist die Aussicht von oben, man hat das Gefühl auf dem Dach der Welt zu stehen!
 
Als Krönung des Tages spaziert am Abend ein grosser Mousse (Elch) keine 20 Meter neben unserem Camp vorbei und lässt sich von uns nicht im mindestens beim Grasen stören. Wir geniessen den Anblick und wagen nicht aufzustehen und die Kamera zu holen.
Der nächste Tag beginnt noch besser. Zwei - vermutlich noch relativ junge - Mousse-Bullen schweifen um unser Camp, wetzen ihre gewaltigen Geweihe am Geäst und fordern sich spielerisch zum Kampf. Das Krachen der aufeinander treffenden Geweihe hallt über die Lichtung, wir geniessen das unvergessliche Schauspiel und diesmal halten wir mit der Kamera drauf was geht. 
Mit einem seligen Grinsen auf dem Gesicht starten wir eine neue Folge von „folge der blauen Linie auf der Karten-App“ und diesmal führt uns der Track in die Region des Strawberry Rivers. Wir fahren im schmalen Canyon neben dem Fluss, rechts und links ragen die gewaltigen roten Felsen in die Höhe. Nach jeder Kurve zeigt sich ein neues Szenarium und man weiss gar nicht wohin man zuerst schauen soll und so gelangen wir schliesslich in den Timber Canyon.

In der Nacht hats geregnet und der Dirttrack, der sich durch den Wald in die Höhe windet, wird immer schwieriger zu befahren. Am Ende stecken wir mit zwei Rädern in einem tiefen Graben, im nu ist das tolle Seitenprofil unserer neuen Reifen mit zähem Morast gefüllt und es gibt kein Weiterkommen mehr. Stay and Play ist die Devise und nach ein paar frustranen Versuchen mit Diff. Sperre und Holz unterlegen kommt die Winde zum Zug. Nach wenigen Minuten ist nicht nur Tico mit Dreck zugekleistert, auch das gesamte Bergungsmaterial ist verschlammt und rutscht nur noch zwischen den Fingern durch… die gesamte Aktion fordert unseren Einfallsreichtum und macht richtig Spass, zumal es ja keine gefährliche Situation ist.
Irgendwann steht Tico in Fluchtrichtung auf sicherem Terrain und wir feiern die geglückte Rettungsaktion mit einem deftigen Vesperplättchen. Eine Detour ist schnell gefunden und auch diese führt auf einer aussichtsreichen Gravelroad hoch auf die Bergkrete, welcher wir den Rest des Nachmittags auf knapp 3’000 müM entlangfahren und die spektakuläre Rundumsicht geniessen.
Apropos Höhe: Die Investition in eine Höhenkompensation für unsere Webasto Standheizung hat sich bezahlt gemacht. Auf über 2‘900 müM schnürrlet sie vor sich hin und verbreitet wohlige Wärme im Wohnzimmer…


San Rafael Swell 

Endlich kommen wir nach Süd-Westen. Von dieser Region haben wir nämlich einen genialen elektronischen Reiseführer (tourideas-usa.com). Hier drin stehen nämlich nicht nur die Hauptsehenswürdigkeiten, die man vom Highway aus sowiso sieht, nein, es sind mal wieder die Attraktionen auf den Nebenstrassen die uns interessieren. So kommen wir auch ins relativ unbekannte Gebiet des San Rafael Swell, südlich von Salt Lake City.
Vorher legen wir aber noch einen Besorgungstag in Price ein, wo wir unsere Wäsche mal wieder ins Reine bringen, Internet suchen, einkaufen und ich mir ein neues Tablet leiste (mein altes läuft nicht mehr so toll ohne Updates, siehe Pleiten, Pech und Pannen).
Bis am Nachmittag hängen wir im WLAN des prähistorischen Museums rum, bis alles runtergeladen, hochgeladen, recherchiert und transferiert ist, in der Zwischenzeit immer mal wieder nach der Wäsche gucken in der Laundry um die Ecke. Wir sind danach ziemlich geschafft und wollen nix wie raus aus der Stadt.
Die Landschaft wird noch röter, karger und trockener. Im Gegenzug werden die Felsen imposanter, die Canyons tiefer und die Wege schmaler. Der Canyon welcher der San Rafael River geschaffen hat, wird auch der Little Grand Canyon genannt. Wir erwarten nicht viel und sind dementsprechend komplett überwältigt als wir davor stehen. Man kann kaum zum Fluss runter sehen, so tief ist der Canyon. Die roten Felsen leuchten im Abendlicht, Golden Eagles ziehen ihre Kreise und setzen der surrealen Szene noch die Krone auf. Und das Beste, hier darf gecampt werden! Dies lassen wir uns natürlich nicht zweimal sagen und suchen uns einen Platz, wo wir unsere feuchte Wäsche zum Trocknen aufhängen und wir es uns gemütlich machen können. Derweil fotografieren wir den Canyon von den verschiedenen Overlooks aus bis die Sonne einem Feuerball gleich hinter den Felsen verschwindet. Das ist Utah wie wir es uns vorgestellt haben!
Am nächsten Tag fahren wir in den Canyon hinein und folgen der kurvigen Backroad durch den Buckhorn Draw. Schattenspendende Cottonwood Trees setzen farbige Akzente zu den roten Felsenwänden der Schlucht und hinter jeder Kurve eröffnet sich eine neue Szenerie die unweigerliches Anhalten und Kamera zücken zur Folge hat. Hier können Jahrtausende alte Felsmalereien und Petroglyphen auf den Felswänden bestaunt werden und das ganze ohne Gedränge und Menschenmassen, denn wir sind ganz alleine hier… so macht Seightseeing Spass!
 
Was für ein Tag, doch zum Verarbeiten bleibt vorerst keine Zeit. Es geht zum Crack Canyon, unserem ersten Slotcanyon. Die Anfahrt bis hinten zum Eingang ist offroad pur, sandig und geht über Stock und Stein, durchs Bachbett und über Felsplatten wieder hoch, doch mittlerweile kennen wir die Amis ein wenig und sind deshalb nicht erstaunt, als wir im Tal vor dem Canyon Wohnwagen und auch normale PW’s entdecken. Tja, diesbezüglich sind die Amis ziemlich schmerzfrei, ausserdem laufen sie halt auch nicht sooo gerne ;-)
Wir suchen uns einen schönen Platz und laufen los. Immer enger wird der schmale Pfad zwischen den Schluchtwänden, unglaubliche Formen und Farben ziehen uns in ihrem Bann und wir gelangen immer tiefer hinein. Durchzwängen, Klettern, Rutschen, alles ist dabei und erst ein zwei Meter hoher Felssturz zwingt mich zur Aufgabe. So mach ich Pause und geniesse die unglaubliche Umgebung, während Dani bis ganz nach hinten weiterklettert. So kommen wir beide auf unsere Kosten und eine gute Stunde später müde und glücklich wieder beim Auto an. Ein gemütliches Lagerfeuer nach einem weiteren postkartenmässigen Sonnenuntergang rundet den Tag ab, tja, wir hättens wirklich schlechter treffen können… ;-)
Einen weiteren Tag verbringen wir im Goblin Valley State Park, wo wir stundenlang zwischen den witzigen Goblin-Hoodoos herumirren und im Little Wild Horse Canyon, einem weiteren Slotcanyon, bevor wir uns auf den Weg zum Capitol Reef National Park machen.


Capitol Reef National Park

Natürlich betreten wir den National Park nicht durch die Vordertür. Man muss dazu sagen, dass der Park eigentlich komplett nicht auf unserem Weg liegt, doch als wir auf der Karte eine feine Linie zwischen unserem Standort und dem Cathedral Valley Trail im National Park entdecken, nehmen wir die Herausforderung an und wir sollten nicht enttäuscht werden. Die abenteuerliche Dirtroad verläuft genau nach Plan, mal sandig, mal steinig, mal ausgewaschen, mal durchs Bachbett und bereits freuen wir uns ab dem erfolgreichen Shortcut, doch es gilt noch ein Hindernis zu überwinden: den Muddy River! Meine Hoffnung, dass es sich hier auch um einen Dry Wash (trockenes Bachbett) handelt, wird jäh zerstört, als wir das grüne Band aus Cottonwood-Trees und Schilf vor uns sehen. Der Fluss macht seinem Namen alle Ehre und kreuzt als morastiges Band unseren Weg. Der direkte Weg ist für uns nicht fahrbar, zu steil ist die Auffahrt auf der anderen Seite, mit unserem Auto würden wir diesen Winkel nie und nimmer hinkriegen. Nein, zu weit sind wir bereits gefahren, Umkehren ist keine Option. Tief sinken wir ein, als wir mit unseren Crocs am Ufer entlang stolpernd nach einer Detour suchen, und wir finden sie. Erstaunlicherweise schafft Tico die Durchfahrt um einiges eleganter als wir und einmal mehr sind wir stolz auf unser zähes kleines 4x4-Wunder.
So erreichen wir den Cathedral Valley Trail und die Hintertür des Capitol Reef National Park. Wieder geniessen wir eine spektakuläre Landschaft ganz ohne Touristenmassen und folgen dem 4x4 Trail bis ganz nach hinten ins Tal. Nach einer sternenklaren Nacht auf dem kostenlosen Einfach-Campground mit gerade mal 5 Plätzen holpern wir auf der anderen Seite des Tals wieder zurück, vorbei an grandiosen Monolithen wie dem Temple of the Sun, Temple of the Moon und dem Glass Mountain. Am Ende des schönen Trails ploppen wir auf den Highway und reihen uns ein zwischen den Big Rigs und Mietcampern. Zur Feier des Tages gönnen wir uns in Hanksville mal wieder leckere Burger and Fries, bevor wir überlegen was wir als nächstes anstellen könnten…


Geplant war eigentlich direkt nach Moab zu fahren, doch bereits nach einigen Meilen auf dem Highway ist uns langweilig und wir biegen auf die nächstbeste Backroad nach Osten ein. Wir folgen einem Trailsystem, dass sich durch den westlichen und ziemlich unbekannten Teil des Canyonlands Nationalparks zieht. Beim Horseshoe Canyon könnte man eine anspruchsvolle Wanderung runter zum Green River machen und sich dort die Felszeichnungen ansehen, aber angesichts des fortgeschrittenen Nachmittags können wir uns nicht mehr dazu durchringen. Wir folgen einem sandigen 4x4-Track zu einem Felsplateau mit gigantischer Aussicht, hier bleiben wir! Wir nehmen den kurzen 2 Meilen-Walk zu einem Arch (Steinbogen) unter die Hufe, doch die Gegend fesselt uns derart, dass wir erst 2 Stunden und 8 km später müde und durstig wieder beim Auto ankommen.
Am nächsten Tag stossen wir via Green River wieder auf unseren Offroad-Track, welcher uns nördlich von Moab durch die Berge führt. Wir kreuzen den Colorado River - welcher hier noch nicht so spektakulär daher kommt wie im Grand Canyon - und schlagen via Onion Creek und Kokopelli Offroad-Trail einen weiteren Bogen um Moab. Hier heisst es die warmen Sachen wieder aus dem „Estrich“ holen, denn wir übernachten auf fast 3‘000 müM in den La Sal Mountains, bevor wir via Fisher Valley staubig, schmutzig und mit leerem Kühl- und Vorratsschrank endlich in Moab einfahren.
 
Ob wir Moabs Offroad-Verlockungen widerstehen können und ob wir eines der begehrten Permits für den berühmten White Rim Trail ergattern können? Dies und mehr in Utah Teil 2...

Nach oben