The Rockies - Juni 2016

Endlich tauchen sie auf am Horizont - die kanadischen Rocky Mountains! Unser Ziel ist natürlich - wie könnts auch anders sein: die Rocky Mountain National Parks, ein Zusammenschluss der vier grossen Parks: Banff, Jasper, Kootenay und Yoho. Jeder dieser Parks wird jährlich von Millionen Touristen aus aller Welt besucht. Vornehmlich zwischen Juni und August - massiv vermehrt an Wochenenden - werden täglich Menschenmassen aus riesigen Bussen auf die Parkplätze der verschiedenen Sehenswürdigkeiten ausgespuckt, hmmm... Juni haben wir, das können wir nicht ändern und das ist auch gut so, denn vorher ist vieles noch wegen Schnee geschlossen aber ich will verdammt sein wenn wir es nicht schaffen, das Wochenende zu umgehen wo auch noch die Kanadier mit Kind und Kegel einfahren. Ein Plan muss her… minuziös planen wir, wie wir am Montag morgen über das wunderschöne Kananaskis Valley nach Banff einfahren, wo wir dann weiterfahren, wo wir wandern und sogar wo übernachten damit wir aufs Wochenende Jasper im Norden hinter uns gelassen haben…
 
Somit stehen wir am Sonntag nachmittag in Longview vor dem Abzweiger zum Kananaskis Valley, dem südlichen Tor zum Banff Nationalpark. Road closed!  Hä? Wie jetzt… ich stürme das kleine Information Centre wo mich eine nette ältere und ziemlich pummelige Dame freundlichst aufklärt, dass das ganze Tal aufgrund aggressiver Bärenmamas mit Nachwuchs für jeglichen Verkehr noch für mindestens eine Woche gesperrt ist! Meine Pläne quittiert sie mit einem mitfühlenden Nicken. Toll…
Ein neuer Plan muss her. Da wir unter keinen Umständen von Calgary über die Autobahn nach Banff wollen, wollen wir uns einen netten Platz suchen, wo wir uns in Ruhe dem Kartenstudium für eine andere Backroad-Variante widmen können. Den finden wir, sogar einen perfekten Platz am Fluss, dank Tico können wir direkt ans steinige Flussbett runterfahren. Umgeben von Wald, kein Haus weit und breit… was will man mehr. Nach dem dritten Bier haben wir unsere gesamten Pläne über den Haufen geschmissen und beschlossen, gleich mal ein paar Tage hier zu bleiben… die Rockies können warten - von mir aus bis zum Wochenende ;-)
 
Während wir dann so den Abend geniessen: ein Bad im Fluss, Holz suchen für ein gemütliches Campfire und dem Rauschen des Flusses und dem Singen der Vögel lauschen im knorrigen Baum auf einem idyllischen Inselchen, dringen weniger wohlklingende Geräusche an unser Ohr: Ein Offroader welcher in rasantem Tempo die Böschung runterschiesst quer durch den Fluss brettert und schliesslich auf unserem idyllischen Inselchen zum Stehen kommt. Danach werden wir Zeugen eines unglaublichen Spektakels: Zwei Kanadier bewaffnet mit Campingstühlen und Kettensäge, fällen erst mal den knorrigen Baum, verarbeiten in danach zu Kleinholz, um dann mit Hilfe nicht unerheblicher Mengen an Benzin ein loderndes Feuer zu entfachen. Dann wird gegrillt, die Musik aus dem Fahrzeug dröhnt bis zu uns rüber. Anschliessend werden die Gewehre ausgepackt und ein paar Tontauben zerschossen. Feuer gelöscht, Autotüren knallen zu. Zurück durch den Fluss und mit einem netten Winken wieder im Wald verschwunden… Zurück bleiben ein paar leere Bierdosen und zwei völlig perplexe Schweizer Camper… die ganze Geschichte hat keine zwei Stunden gedauert…


Auf in den Kampf...
Zwei Tage später gehen wir die ganze Sache mit einem neuen Plan an. In den folgenden Tagen erkunden wir die Nationalparks, bestaunen die Seen und Wasserfälle, wandern durch die Wälder und betreiben viel Touri-TV (Ausdruck geklaut von PawsOnTour.ch, konnte nicht widerstehen Michel ;-) ).
Am Lake Louise ist das Gedränge am grössten: Manga-Girls posieren neben Japanern, die den Hiking-Chic 2016 präsentieren, Der Kampf um den besten Photospot wird mittels Selfie-Sticks ausgetragen. Dazwischen jede Menge Flachlandtrapper und Rucksacktouristen. Auf den Strassen reihen sich  Mietcamper auf und die riesigen kanadischen Motorhomes (BigRigs), für die es spezielle Karten gibt wo sie parkieren und wenden können. Aus diesem Grund lassen wir auch mal den einen oder anderen Hotspot aus und wenden uns den Attraktionen zu, zu denen man mehr als 200 m laufen muss, denn da ist man ganz häufig recht allein. Natürlich reichen ein paar Tage mitnichten aus, um sich die ganze Region anzusehen. Da das Wetter leider nicht mitspielt, ist es aber auch am Wochenende gut auszuhalten mit den Touristen. Als besonderes Highlight gilt der Icefield-Parkway, eine gut ausgebaute Strasse durch die Berge über 230 km, welche Banff mit Jasper verbindet. Alle paar Kilometer gibt es etwas zu sehen, hier ein Gletschersee, dort ein Wasserfall und daneben immer wieder schöne Ausblicke auf die Gipfel rechts und links. In der Mitte befindet sich das Columbia Icefield, wo man diverse Gletscher erkunden kann. Aeusserst beliebt ist es, sich mit einem speziellen Bus auf den Gletscher rausfahren zu lassen, dort einige Schritte zu gehen und wieder zurück zum Visitor Center. Verbunden mit der Fahrt zu einer Aussichtsplattform mit Glasboden kostet das ganze Unterfangen schlappe 100 Dollar, geschenkt ;-)
Wir begnügen uns indessen mit dem Rundweg zum Gletscherfuss. Auf dem Parkplatz beobachten wir ganz abenteuerlustige Japaner, die sich Wanderschuhe, Wollmützen und Handschuhe mieten, um danach den 5 min. Schotterweg zur Gletschersohle auf sich zu nehmen. Andere laufen den Weg mit Flipflops, was genauso lustig anzusehen ist.


Jasper und nordwärts...
Wir lassen uns Zeit für die Rockies, verlassen immer wieder die Parks um uns an schönen Plätzen in Einsamkeit zu erholen. Jasper gefällt uns sehr gut, obgleich sehr touristisch, ist es hier viel ruhiger als in Banff. Hier verweilen wir dann auch etwas länger. Einerseits hat es sehr gutes WLAN, so dass wir die Webseite wiedermal aktualisieren können, und andererseits macht uns Tico etwas Sorgen (siehe Pleiten, Pech & Pannen) Da wir aber einen wunderschönen Platz am See gleich ausserhalb von Jasper finden, ist es ein leichtes ein paar Mal hin und her zu fahren.

Dann ist es auch wieder Zeit zum Weiterziehen. Auf dem Weg nach Hinton nutzen wir das halbwegs schöne Wetter und machen eine schöne Wanderung auf den Sulphure Skywalk Trail. Nach 700 bezwungenen Höhenmetern erwartet uns eine grossartige Rundumsicht und freche Erdhörnchen, die nicht nur aus der Hand fressen, sondern sich gleich selbst im Rucksack bedienen, sagenhaft!
Auf dem Rückweg werden wir so richtig verschifft und verhagelt, dass steigert doch gleich die Vorfreude auf die heissen Quellen, die wir uns gönnen wollen, vielen Dank für die coole Idee Mum (siehe Reisekasse)Es ist unglaublich schön die müden Glieder in das heisse Wasser einzutauchen, die Wärme zu geniessen mit Blick auf den eben bezwungenen Gipfel und die Sonne, die schon wieder zwischen den Wolken hervorguckt…
 
Das Wetter sollte uns auch die nächsten Tage nicht hold sein, deshalb erledigen wir in Hinton alles was wir gerne so vor uns her schieben, unter anderem Wäsche waschen. Unser Zuhause mottet ziemlich mit den nassen Badesachen und den feuchten, verschwitzten Wandershirts, auch das Bettzeug wäre gerne mal gewaschen nach zwei Monaten… Wir finden tatsächlich eine „Laundry“, in der übelsten Gegend von Hinton, wo man das Auto keine Sekunde aus den Augen lassen sollte. Aber diesmal wird die Wäsche sauber und mit 3 $ auch zu einem fairen Preis. Jetzt duftet es wieder fein in unserem Auto :-). Im Canadian Tire schauen wir nach dem Werkzeug, das uns in Jasper gefehlt hat und dann geht’s endlich weiter Richtung Grand Prairie.
Wir entscheiden uns für die Forestry Trunk Road - die Schottervariante zum Highway. Was für ein Desaster! Nach tagelangem Regen ist die Piste aufgeweicht und rutschig wie Schmierseife. Es regnet, in der Höhe schneits und die riesigen Oeltrucks brettern an uns vorbei. Hier holen wir uns auch einen netten Steinschlag und einen Hick in der Motorhaube, na vielen Dank!
Die gut 150 km sind nur im 4x4 zu bezwingen, es ist extrem anstrengend und die Sicht auf der aussichtsreichen Strasse gleich null. Irgendwann erreichen wir wieder den Highway, auf welchen wir uns für einmal richtig freuen und irgendwann dann auch Grand Prairie, mittlerweile stürmts was das Zeug hält. Es ist schon spät und eigentlich wollen wir uns für heute mal im „Walmart-Camping“ einquartieren. Auf den meisten Walmart-Parkplätzen ist das Uebernachten im Camper gestattet. Viele dieser Einkaufscenter haben 24-h geöffnet und somit hat man auch Zugang zu Toiletten. Gegen abend stehen meist viele der grossen Wohnmobile und Trailer auf dem Parkplatz, Irgendwie ist das aber nicht unsere Welt. Wir kaufen ein was das Zeugs hält, denn es wird nur noch teurer und spärlicher gegen Norden. Noch auf dem Parkplatz verspeisen wir ein heisses Poulet mit Pommes Chips und suchen uns danach doch noch ein Schlafplatz ausserhalb. Wegen dem Sturm können wir nicht in den Wald, zu viele Bäume liegen bereits auf der Strasse. Wir haben wieder mal Glück und finden einen verwaisten grossen Parkplatz aber auch im Wald. Lustigerweise haben wir hier ein offenes Wlan! So sitzen wir den Sturm im Auto aus und surfen die halbe Nacht im Internet. Am nächsten Morgen ist der Sturm vorbei und wir schauen nochmal kurz in der Stadt vorbei um unseren Steinschlag versiegeln zu lassen. Die Scheibe soll ja noch ne Weile halten.


Auf dem Alaska Highway
Der Regen lässt auch heute nicht nach und immer häufiger sieht man über die Ufer getretene Flüsse und Strassensperrungen. In Dawson Creek ist gar ein Teil der Strasse weggebrochen, es sieht dramatisch aus!. Wir brauchen über eine Stunde für den Umweg in die Stadt, da der „Creek“ die halbe Stadt überschwemmt hat. Und wir müssen unbedingt in die Stadt, denn hier befindet sich Mile 0, der Startpunkt des Alaska Highways und jeder Reisende macht hier ein Foto vor dem berühmten Schild.

Hinter dieser Strasse steckt eine unglaubliche Geschichte: In gerade mal 8 Monaten haben die Amerikaner und die Kanadier 1942 gemeinsam diese ca. 2300 km lange Strasse von Dawson Creek bis nach Fairbanks, Alaska aus dem Boden gestampft um den militärischen Rückhalt Alaskas im 2. Weltkrieg zu gewährleisten.. Unter widrigsten Bedingungen, haben hier zehntausende von Soldaten und Zivilisten von beiden Seiten an der Strasse gebaut, über 100 Flüsse bezwungen und auf Permafrost gebaut. Wenige Jahre später wurde die Strasse für die Oeffentlichkeit freigegeben, heute ist sie durchgehend geteert. Die Geschichte könnt Ihr im Internet nachlesen, ist schon sehr eindrücklich!
 
Ja, nun sind wir also auf dem Alaska Highway und fahren durch die Northern Rockies, mittlerweile haben wir Alberta endgültig verlassen und sind wieder in British Colombia. Die Landschaft ist atemberaubend, einfach wunderschön. Die Berge, die Flüsse und Seen, ach was schwärme ich, schauts Euch in der Bildergalerie selbst an. Wir finden wieder traumhafte Schlafplätze - mittlerweile führen wir eine Top 20-Hitliste, damit die schönsten Plätze unvergessen bleiben - und fahren von einem Highlight zum nächsten. Jeden Tag sehen wir Elche, Mousse, Bighorn-Schafe, Bisons, Kojoten und Bären. Ein Schwarzbär am Strassenrand lässt unsere Herzen jedesmal wieder höher schlagen, doch als wir von einem Fotostop zu Tico zurückkehren und dort in ca. 30 m Entfernung ein Grizzly vor unserem Auto steht, ist der Adrenalinspiegel kurz vor dem explodieren. Ui, was stand jetzt in der Bärenbroschüre? Lärm machen oder tot stellen? Die Kamera ist natürlich im Auto, der Bärenspray übrigens auch, scheisse fühlt man sich nackt so ohne Auto um einen herum... Wir stehen da, den Fluss im Rücken, der Bär guckt, kommt einige Schritte in unsere Richtung und dreht schliesslich ab. Wir schleichen uns von der anderen Seite zum Auto und steigen mit weichen Knien ein. Uffh… es gibt sie also doch!
Nach dieser Begegnung schauen wir lieber einmal mehr wo wir aussteigen und fotografieren. Jeder Gang zur Toilette wird akustisch untermalt, sehr zu unserer gegenseitigen Belustigung: „hallo Bäääärr, ich geh jetzt mal pinkeln, hörst Du mich?“
 
Ein weiteres Highlight sind die Liard River Hot Springs. Ja baden denn die schon wieder, fragt sich wohl der geneigte Leser… doch diese Quellen sind wirklich speziell. Naturpools mit einer heissen Schwefelquelle. Je näher man den Quellen kommt, desto heisser. Wir haben den Pool ganz für uns alleine und geniessen die Hitze. Noch einmal die alten Knochen entspannen vor dem Höllenritt hoch in den Yukon. Wir können es kaum glauben, dass wir jetzt hier sind, seit so vielen Jahren träumen wir von dieser Ecke der Welt…
Jetzt freuen wir uns auf noch mehr Natur, Einsamkeit und Begegnungen aller Art...
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