Sahara-Chicken-Tour 2006
Die
Möglichkeit, die Jungs auf ihrem alljährlichen Enduro-Abenteuer in der
Sahara zu begleiten ergab sich, da diesmal ein Begleitfahrzeug mitkommen
sollte. Rolf (unser Driver) liess seinen Landrover mit allen Schikanen
ausrüsten, und war motiviert, damit seine ersten Sanderfahrungen zu
machen. Um eine zusätzliche Enduro bis nach Tunesien und notfalls auch
durch die Dünen transportieren zu können, wurde ein offroadtauglicher
(wir fanden nie raus ob es so war) Töffträger konzipiert. So hatte ich
die Möglichkeit, meine KTM EXC mitzunehmen, Wüstenluft zu schnuppern und
zur Abwechslung im Defender mitzufahren. Somit war mein Part an der
Geschichte besiegelt.
Am 16. Dezember ist es endlich soweit. Die Jungs machen sich mit einem bis gut einem Meter übers Dach beladenen
Defender, 4 KTMs, 4 GPS, 160 Litern Diesel, 120 Litern Benzin, 160
Liter Wasser und knapp halb so viel Bier auf den Weg nach Genua und mit
der Fähre weiter nach Tunis. Von dort gehts weiter in den Süden, wo für
Rolf mit seinem Defender genannt „Tumbler“ und Florian (le mecanicien)
die ersten Sanderfahrungen unter der Führung der erfahrenen „Guides“
Martin und Dani folgen.
Ich stosse 3 Tage später dazu, direkt "by air". Das Erste,
was ich von Tunesien sehen soll ist Matmata - ein Berberdorf mit
unterirdischen Behausungen - auch bekannt aus den Star Wars Filmen. Da
ich das erste Mal in Tunesien weile ist alles entsprechend aufregend,
doch für Sight-Seeing bleibt keine Zeit, denn unser Zeitplan ist eng.
Am nächsten Morgen gehts schon früh los. Zum Einstimmen gehts auf
Schotterstrassen durch die Berge, wo Rolf die Schräglage seines Landis
bis an die Schmerzgrenze testet... Ab Mittag gibts Piste zum Abwinken.
Ich quäle mich – ziemlich verkrampft – mit ca. 90 km/h durch die
Sandverwehungen und glaube mich zu erinnern, dass bei der Dakar
Rallye auf solchen Pisten mal locker mit 160 km/h gefahren wird!
Gegen Abend
erreichen wir endlich den Campingplatz, eine kleine Oase am Rande der
Wüste. Nachdem man mich vom Töff gehoben hat und ich im warmen
Naturpool die erstarrten Muskeln gelockert habe, fühle ich mich wieder
richtig gut. Nur beim Gedanken an die bevorstehenden Dünen drehen sich
mir die Eingeweide.... Ich träume von all den guten Tipps die man mir
vor meiner Abreise noch gegeben hat wie: „immer die Arme
durchstrecken, damit Du über den Lenker fliegst wenn Du einsteckst...
oder: teile Deine Kräfte ein beim Ausgraben... oder: immer Vollgas, vor
allem wenn’s brenzlig wird, ja auch beim Abwärtsfahren…“ Tja... die
Motivation beim Erwachen ist entsprechend im Keller....
Es ist schlussendlich alles halb so schlimm... Zum Glück allerdings ist unser
Tumbler der langsamste Part, so habe ich immer wieder mal die Möglichkeit,
mich auf einem Dünenkamm auszuruhen. Am Anfang noch sehr zaghaft am Gas,
müssen mich Dani und Florian entsprechend oft ausgraben, doch mit der Zeit weicht die Angst und die Verkrampfung und ich beginne richtig Spass an den tückischen Sandhügeln
zu bekommen. Im Wissen, dass der erste Dünenkamm auch der Höchste ist, weiss ich dass ich alles schaffen kann! In den folgenden Tagen überqueren wir unzählige
Dünengürtel, immer dem Pfeil unserer GPS folgend, welcher unerbittlich Richtung
Südwesten – unserem Ziel – zeigen. Dieses Ziel ist „Huaret Richet“, der
„verlorene See“. Die Jungs haben schon von verschiedenen Expeditionen gehört, welche
versucht haben den See zu erreichen. Sie verbrachten Tage und Stunden, um
darüber zu recherchieren und anhand von Google Earth, Quo Vadis und
unzähligen GPS-Punkten den Weg dorthin und zurück zu berechnen.
Die Zeit ist knapp kalkuliert und jeden Morgen wird gerechnet und besprochen, wie wir in der Zeit liegen und
wie viele Kilometer zurückgelegt werden müssen um rechtzeitig wieder die Fähre
erreichen zu können. Zeitweise schaffen wir nur 10 km anstelle der errechneten
30 km pro Tag, weil wir hohe Dünengürtel um- und überfahren müssen und somit wieder
vom Kurs abkommen. Oder wir müssen den Defender ausgraben oder „Chou Chou“
(Florians LC4) reparieren.
Aber insgesamt klappt alles erstaunlich gut und wir
erreichen unser Ziel mit einem halben Tag Verspätung am Abend des 9. Tages, an
Weihnachten. Ich bin besonders glücklich, denn ich habe auch mein persönliches
Ziel erreicht: Ich bin die ganze Strecke zum See selber gefahren, habe nie aufgeben oder mein Töffli aufgeladen. Ich muss zugeben, ich hab nicht wirklich daran
geglaubt, möglich war das nur mit der unendlichen Geduld meiner Jungs!
Der See ist wunderschön und ein
leuchtend blauer Fleck inmitten goldener Dünen. Ursprünglich aus einem Bohrloch
entstanden wachsen nun am Ufer Bäume und Sträucher. Aus Rücksicht auf die
Beduinen und ihre Tiere verzichten wir auf ein Bad und beschränken uns auf
eine kurze Pause und ein Bier. Der Zeitdruck ist ja nicht etwa weg, schliesslich
muss ein halber Tag wieder eingeholt werden. Die Tage in den Dünen sind
unglaublich schön. Nix als Sand um uns herum, nur zwischendurch kreuzen Beduinen
mit Ihren Kamelen unseren Weg. Die Abende jedoch sind lang, denn kaum
verschwindet die Sonne hinter den Dünen, wird es unfreundlich kalt und wir sind immer froh wenn wir noch rechtzeitig Holz für ein Feuer gesammelt
haben. Wir haben Tee Rum getrunken, gut gegessen und viel gelacht. Ich werde
Florian vermissen, was haben wir doch Tränen gelacht wegen seines Akzents und
seinen unmöglichen Ideen....
Die Zeit vergeht wie im Fluge und am Nachmittag des
12 Tages stehen wir wieder vor dem östlichsten Dünengürtel, welcher die Sandwüste
im Westen vom steinigeren Osten trennt. Von dieser Seite ist die Anfahrt
jedoch deutlich steiler und wir müssen eine Weile entlang der westlichen Seite
fahren, bevor wir mit dem Defender einen Aufstieg wagen können. Die Freude und der Jubel sind gross als sich der Tumbler von einem Hügel zum nächsten kämpft und
schliesslich den höchsten Punkt des Dünenkamms erreicht. Noch einmal geniessen
wir die Aussicht und das letzte Dünen-Surfen bis ganz nach unten. Der Druck ist weg,
die Euphorie dafür riesig! Beinahe lächerlich langweilig dünkt mich die
sandige Piste nun, welche mir auf dem Hinweg so viel Kopfzerbrechen
bereitet hat...
Es ist bereits spät und die Sonne wirft lange Schatten und
der Weg zum Campingplatz ist noch weit. Der Gedanke an eine Dusche und das traditionelle
Käsefondue - welches auf jedem Wüstentrip im Gepäck ist - treiben uns vorwärts.
Langsam wird es dunkel, die Hand immer zögerlicher am Gas und die
Scheinwerfer vom Campingplatz kommen einfach nicht näher. Wir erreichen unser
Ziel kurz nach Einbruch der Nacht und ich bin froh dass die heutige
Tagesetappe vorbei ist. Ich fühle mich wie ein Privatier bei der Dakar Rallye,
nur dass ich nicht noch die halbe Nacht an meiner EXC schrauben muss.
Auf
dem Campingplatz organisieren wir ein paar Fladenbrote und Ihr könnts mir
glauben, dass war das beste Fondue meines Lebens!
Am nächsten Tag gehts gen Norden,
mit einem Abstecher zur Oase Ksahr Gilane. Das kalte Cola ist toll, die
geschmückten Touristenkamele weniger... Weiter gehts Richtung Douz. Noch
einmal Dünensurfen, wir habens genossen. Die Stimmung ist besser denn je, wir
kurven um die Sandhügel als wär es das letzte Mal (ich hoffe nicht). Die
Pisten vor Douz sind noch eine letzte Herausforderung für mich. Der feine weisse
Sand macht mir zu schaffen, denn trotz Danis Rat fahr ich wieder viel zu langsam - da lob
ich mir doch meinen Lenkungsdämpfer.
Ich bin froh die Umrisse der Stadt in der
Ferne zu erkennen und hoffe, es möge keine Fata Morgana sein! Trotzdem ist es
komisch durch die Tore der Stadt zu fahren, im Wissen dass es jetzt vorbei ist
mit den Dünen.
Doch ich bin schnell wieder abgelenkt, denn in Douz findet ein
Festival statt, auf den Strassen ist viel Leben, die Menschen kommen aus dem
ganzen Land und haben sich entsprechend ordentlich herausgeputzt. Wir sehen festlich gekleidete
Beduinen auf ihren prachtvoll geschmückten Pferden und Kamelen, die Menschen tragen
ihre edelsten Gewänder - ein ganz neues Bild dass uns da geboten wird nach der kargen Schönheit der Wüste...
Der
Rest vergeht wie im Flug: zurück nach Matmata, Anhänger beladen,
Weiterfahrt im Defender, hoch nach Hammamet, nach einer Nacht im Hotel
dann nach Tunis zum Hafen, wo wir nach einer
überraschend schnellen Zollabfertigung die Fähre entern, welche dann
auch mit
nur 3-stündiger Verspätung ablegt. Am nächsten Morgen dürfen wir den
Maschinenraum der Fähre besuchen, wo uns alles gezeigt und erklärt
wurde, was
vor allem unsere zwei Schiff-Junkies begeistert. Für Martin und Dani ist hier
natürlich bekanntes Terrain, haben sich die beiden doch auf der letzten
Überfahrt
bereits illegaler Weise durchs ganze Schiff geschlichen und sich die
Motoren
auf eigene Faust angesehen, bis sie von einer Überwachungskamera und
einem
Wachmann gestoppt werden...
Die Heimfahrt von Genua ist lange… und die Dünen
schon so weit weg!
Was uns bleibt ist der rote Wüstensand in wirklich jeder Ritze
und die Erinnerung an ein einzigartiges Abenteuer! Ich danke meinen Jungs von
Herzen für diese Chance, denn für einen Rookie wie mich ist es keine
Selbstverständlichkeit, mit einem derart eingespielten Team in die Wüste zu
reisen und so viel Geduld und Rücksichtnahme zu erfahren.
Cel - la Gazelle