Pyrenäen Summer Edition 2021


Nächster Halt - Südfrankreich!

Es ist schon ein komisches Gefühl... das erste Mal seit unserer grossen Reise entstauben wir Tico - unseren treuen Toyota Landcruiser - und machen ihn reisefertig. Erstaunlicherweise ist das Auto für zwei Wochen Ferien genau gleich voll gepackt wie für 3 Jahre, das liegt vor allem daran, dass man sich in den Pyrenäen auf alles vorbereiten muss: Eisige Temperaturen abends in der Höhe und Abkühlung in einem klaren Gebirgsfluss nach einem heissen, staubigen Offroadtag - heute kaltes Bier und morgen heissen Kaffi Luz in Merinowäsche...

Also fahren wir aufmunitioniert bis unters Dach am Donnerstag abend los. Zum Glück haben wir eine erste lange Fahretappe von 400 km noch auf den Abend geplant, nach einer kühlen Nacht nahe Grenoble und einer weiteren Etappe von 400 km blicken wir am Freitag Nachmittag in der Camarque bereits auf das glitzernde Blau des Mittelmeers. Nun kann der "Kurzurlaub" beginnen. 

Die bekannten Ferienorte an Südfrankreichs Küste sind jetzt im September noch gut besucht, trotzdem finden wir ein 1a Wildcamp in der Höhe über der Küste mit traumhafter Aussicht. Noch immer sind wir ein eingespieltes Team - jeder kennt noch seinen Platz und seine Handgriffe im Auto und routiniert zaubern wir ein leckeres Abendessen auf den Tisch und geniessen den ersten eiskalten Rosé bei sommerlichen Temperaturen.

Das Mittelmehr und seine Touristenstrände lassen wir bald hinter uns und suchen uns einen schönen Platz in den Hügeln kurz vor der Grenze zu Spanien. Wir erkunden den hübschen mittelalterlichen Ort Collioure an der Côte Vermeille mit seinen Stadtmauern und Wehrtürmen und wandern hoch zu einer alten Miltärfestung, von wo aus man einen wundervollen Rundblick über die Küste und die imposanten Burgen in den Hügeln geniessen kann.


Auf den Spuren der Pyrenäenrallye

Am nächsten Morgen verlassen wir die Küste und somit Frankreich. Über eine selten befahrene Panoramastrasse erreichen wir die Grenze, doch was ist hier los? Grosse Steinquader blockieren die Strasse. Ein einheimischer Jäger klärt uns auf: die Spanier hätten die Grenze in der ersten Covid-Welle geschlossen und nicht wieder eröffnet. Was nun? Alles zurück und über die Autobahn nach Spanien? Nein nein, meint der Jäger, ihr habt doch ein tolles Auto, fahrt aussen rum, das machen wir auch so... Da lässt sich Dani nicht zweimal bitten. Kurz die Naben gedreht, L2 und los gehts mit der holprigen Einreise nach Spanien. Einen Augenblick später poltert Tico wieder auf die Strasse, Dani grinst - artgereichte Haltung für Mann und Auto, so was gefällt den Beiden :-). Bienvenidos en España - das Abenteuer Pyrenäen kann losgehen!

Wir folgen verschiedenen Tracks die Dani vorgängig recherchiert hat und erleben traumhafte, wilde Landschaften, vergessene Dörfer und einsame Schotterpisten mit spektakulären Aussichten auf die Gipfel des Naturparks der Zona vulcanica de la Garrotxa. Wir sind aber nicht die einzigen die die wilde Landschaft hier oben geniessen. Immer wieder überholen wir die abenteuerlichsten Fahrzeuge der aktuell laufenden "Pyrenäen-Rallye" und staunen mal wieder, was man mit einem Fiat Punto oder R1 alles fahren kann.


Durch die Sierra de Cadi

Immer südlich der Grenze zu Frankreich ziehen wir langsam westwärts durch die Gebirgszüge der spanischen Pyrenäen. Wobei "spanisch" hier nicht wirklich zu hören ist. Man spricht katalanisch und ist sehr stolz darauf. Die Katalanen sehen sich nicht als Spanier, entsprechend sind auch Schilder, Hinweise und Touristenstätten zu unserer Enttäuschung nur auf katalanisch angeschrieben - zum Glück habe ich einen umfangreichen Reiseführer mitgebracht, aus welchem ich Dani bei jeder Gelegenheit vorlese. Für uns gehört es zum Entdecken eines Landes mit dazu, dass man sich über die Geschichte, die Traditionen un die Gebräuche informiert, um die Menschen besser zu verstehen und warum sie eben so sind wie sie sind. So lernen wir viel über die Geschichte der Region, die Herrschaft Francos und die Rolle im zweiten Weltkrieg, als tausende Menschen auf der Flucht vor dem Nazi-Regime die gefährliche und strapaziöse Reise über die Pyrenäen angetreten haben. 

Wir empfinden die Katalanen als eher zurückhaltend, ja fast misstrauisch und staunen jedesmal wie sie dennoch aus sich herauskommen wenn man auf spanisch mit ihnen zu plaudern beginnt. Die Landschaft ist malerisch und einsam, nur wenige Dörfer liegen auf unserem Weg. Ich liebe es durch die kleinen verschlafenen Gassen zu schlendern auf der Suche nach einer Panaderia (Bäckerei) oder eines Tante Emma Ladens. Wir probieren uns durch die lokalen Leckereien wie Wildsalami, Jamon, Bergkäse oder süssen Croissants, geniessen knusprige Baguettes und trockenen Tempranillo - Kalorien zählen können wir schliesslich nach den Ferien wieder!


Auf vergessenen Schmugglerpfaden Richtung Andorra

Nach sonnenverwöhnten Tagen am Rande der Pyrenäen gehts wieder hoch in den Norden in höhere Gefilde. Entlang vieler Zeitzeugen aus dem 2. Weltkrieg und einigen Abstechern in die Pilze erreichen wir das Skigebiet im Pallars Gebirge. Jetzt in der Nebensaison sind die Anlagen verwaist, alle Strassen befahrbar und es lockt ein grossartiges Panorama! Nachts wirds hier oben bereits empfindlich kalt und wir sind froh funktioniert unsere Standheizung so tadellos...

Unser nächstes Ziel ist Andorra. Hoch in den Pyrenäen thront dieser Zwergstaat und ist von Frankreich und Spanien über breit ausgebaute Strassen erreichbar. Uns locken allerdings eher die alten Schmugglerpfade, versteckt in den Bergen und heute eigentlich nur noch von einheimischen Bauern und vereinzelten Offroadtouren benutzt. Wir geniessen die Abgeschiedenheit hier oben wo sich noch buchstäblich "Fuchs und Hase Gute Nacht sagen"  und der Bauer abends auf einen Schwatz und ein, zwei Bier vorbei kommt :-) Wir verstehen den alten Kauz zwar kaum hinter seinem beeindruckenden Bart, erfahren aber trotzdem viel spannendes aus der Zeit als die Schmugglerei hier noch ein florierendes Geschäft war.


Kulturschock Andorra

Am nächsten Morgen früh holpern wir hoch zum Grenzübergang nach Andorra - vom Offroad-Modus direkt auf die Autobahn! Ab der Grenze feinster Asphalt, breite Strassen und ein wahnsinns Panorama!

Nun haben wir also die EU verlassen, streng genommen - doch da Andorra stark abhängig von den umliegenden Ländern ist, wird auch hier ausschliesslich der Euro verwendet, das macht den Shoppingtourismus auch deutlich einfacher, denn das ist es, wofür Andorra bekannt ist. Bevor wir uns jedoch ins Getümmel stürzen, unternehmen wir spontan eine Wanderung auf den Pic Alt de la Capa. Der steile Aufstieg ist anstrengend, tut uns aber mächtig gut, haben wir die letzten Tag doch vorwiegend sitzend im Auto verbracht. Der gut ausgeschilderte Wanderung bringt uns hoch auf den Gipfel, von wo wir einen tollen Ausblick über das Gebirge und auf den Talkessel haben, in welchem die Hauptstadt Andorra la Vella liegt.Der Abstieg wird dann einmal mehr abenteuerlich, da plötzlich keine Markierungen mehr zu sehen sind und der einzige Weg zurück über die Dirrettissima steil nach unten über die Bergflanke führt. Mit zittrigen Beinen arbeite ich mich Meter für Meter hangabwärts, Andorra und die ganzen Pyrenäen verfluchend, bis Dani viel weiter unten  wieder auf Markierungen stösst, wir scheinen tatsächlich auf dem richtigen Weg zu sein! Natürlich zieht sich der Rückweg viel länger als geplant und wir sind froh, so früh gestartet zu sein...

Andorra besteht eigentlich nur aus Skigebieten in den Bergen und zwei gigantischen Einkaufsmeilen die sich in der Hauptstadt treffen - eine von Spanien und eine von Frankreich. Andorra erhebt keine Warensteuer und die günstigen Preise vor allem für Treibstoff, Alkohol und Tabakwaren locken Tausende von Spaniern und Franzosen täglich hier hinauf in den kleinen Gebirgsstaat. Trotz Montag Nachmittag staut sich die Blechlawine auf der Hauptstrasse, rechts und links reihen sich riesige Einkaufszentren, Automobilhäuser und Tankstellen. Auch wir wollen uns ein Bild davon machen und stürmen den Hyper Carrefour im Zentrum. Was hier drin abgeht haut auch hartgesottene Shoppingjunktes um, völlig überfordert stehe ich vor ellenlangen Gängen mit Spirituosen und versuche mich zu errinnern, was die gleichen Produkte bei uns kosten. Ein Liter unseres Lieblings-Gins  kostet hier gerade mal 8 Euro, kann das sein? Bevor ich vollends im Kaufrausch versinke, packt Dani ein paar Flaschen ein und zerrt mich Richtung Kasse. Im Nachhinein ärgert es mich natürlich, dass ich mir vorher nicht ein paar Gedanken gemacht habe was ich noch kaufen könnte aber andererseits verfügen wir ja auch nicht über unendlich Platz im Auto. 

Bevor wir das Land fast fluchtartig wieder verlassen, füllen auch wir beide Dieseltänke randvoll mit dem günstigen Andorra-Diesel bevor wir uns komplett überfüllt über eine weitere alte Schmugglerpiste über einen Bergpass zurück nach Spanien kämpfen. Völlig erledigt suchen wir uns bald einen Platz und geniessen die Weite und Ruhe nach der ganzen Reizüberflutung. Im Reiseführer lese ich, dass Andorra zu praktisch 100% von Tourismus und Handel lebt - die Landwirtschaft ist völlig zum Erliegen gekommen,  selber anbauen lohnt sich nicht mehr... Am Abend gibt es ein Festmahl mit erlesenem spanischen Jamon, französischem Käse, knusprigem Baguette und einem edlen Rotwein - man gönnt sich ja sonst nix... ;-)


Im Nationalpark Alto Pirineo

Langsam nähern wir uns den zentralen Pyrenäen und somit auch den höheren Gipfeln. Wir fahren durch viele verlassene Dörfer, vorbei an verfallenen Kirchen und Anwesen - die Landflucht ist auch hier gross. Besonders gefällt uns die Fahrt über die Hochebenen wo zahlreiche Pferdeherden frei leben und riesige Schafherden gemütlich durch die Berge ziehen. Wir lassen uns von einem jungen Hirten erklären, wie er mit nur drei Hunden seine rund 3'500-köpfige Schafherde führt und wie das Leben als Schäfer hier in den Pyrenäen so ist. Wir wandern zu Wasserfällen und staunen nach jedem Pass über eine neue, atemberaubende Bergkulisse. Hier oben könnten wir ewigs herumfahren, wäre es nur nicht so empfindlich kalt abends, so dass man sich kaum ausserhalb des schützenden Fahrzeugs aufhalten kann.


Val d'Aran

Über das Hochtal von Montgarri erreichen wir Val d'Aran. Das abgeschiedene Tal liegt bereits auf der Nordseite der Pyrenäen, gehört aber noch zu Spanien. Hier in der Abgeschiedenheit wird nochmal eine andere Sprache gesprochen, Nämlich Araneisch. Auch davon verstehen wir natürlich kein Wort und sind froh, sprechen die Bewohner auch "normales" Castellan, wie spanisch hier genannt wird. Wir geniessen die letzten Tage in den Bergen, bevor es langsam wieder heimwärts geht. Wir lassen es uns nochmal so richtig gutgehen, füllen Ticos Vorratsschränke zum Bersten mit spanischen Köstlichkeiten und verwöhnen uns in urchigen Restaurants mit lokalen Spezialitäten - müssen wir wirklich wieder zurück nach Hause?

Zum Abschluss fahren wir hoch zum Montlude, dem höchsten Berg der Region und geniessen einen atemberaubenden Sonnenaufgang mit Blick auf die vergletscherten Gipfel des Maladeta Massivs in der Ferne mit dem Pic Aneto, dem höchsten Berg der Pyrenäen. Schweigend geniessen wir das Schauspiel und prägen uns die Bilder ganz tief in die Seele...


Heimwärts...

Wir lassen uns viel Zeit für die Heimreise und wählen eine weitere Schmugglerroute zurück nach Frankreich. In der Bäckerei frage ich zum Glück noch nach dem Strassenzustand. Die Dame winkt genervt ab und meint das könnten wir vergessen. Der Grenzübergang sei seit der ersten Coronawelle gesperrt. Präsident Macron hätte alles dichtgemacht und sowiso diese Franzosen, also ehrlich.... Verwirrt nehme ich mein Baquette und marschiere zurück zum Auto um Dani davon zu erzählen - diesmal sind es also die Franzosen? Wir verstehen nicht welche Regierung nun für die ganzen Grenzschliessungen verantwortlich ist aber eine weitere illegale Einreise brauchen wir nicht - wir verlassen Spanien über die Hauptstrasse, so wie alle anderen...

Auf der Route National fährt es sich gemütlich und nach einem letzten Abstecher in die geliebte Gorge du Tarn in den Cevennen stellen wir unser Navi auf "Heimatadresse". Die spanischen Pyrenäen haben uns einmal mehr völlig begeistert und dabei gibt es noch sooo viel zu entdecken - wir kommen wieder!

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