Kolumbien - Der Südwesten
Weiter ab Ibaque
Noch einmal
übernachten wir bei angenehmen Temperaturen in der Höhe, bevor es runter
in die Ebene geht. Zwischen den Kordilleren liegt ein Gebiet, welches
nur selten von den Regenwolken profitiert die permanent in den Bergen
hängen, es ist die Desierto Tatatoa - eine trockene Steppe.
Schon der Weg
dorthin ist ein Vergnügen. Wir passieren putzige Dörfer mit freundlichen
Menschen, die Bäume blühen in kräftigen Rot- und Violetttönen und die
holprigen Strassen sind nach unserem Geschmack.
Vor einer rostigen
Hängebrücke kommen wir kurz ins Grübeln, wie ernst muss man das
1-Tonnen-Schild nehmen? Dass die Brücke in einem schlechten Zustand ist
sehen wir selbst, aber was bedeutet dies schon? Wir inspizieren die
Brücke zu Fuss, die durchgerosteten Bleche und der Kaktus, der aus dem
Belag wächst, sind nicht wirklich vertrauenerweckend. Wir machens wie
die Kolumbianer - im Zweifelsfall aggressives Zuwarten. Schon bald kommt
ein Bauer auf dem Moped angetuckert und meint, „si si, siga siga, no
problem“, da würden auch die grossen Lastwagen drüber fahren. Das reicht
uns als Absicherung und los geht’s. Die Brücke ächzt und schaukelt
unter Ticos Gewicht, doch sie hält. Der Krug geht zum Brunnen bis er
bricht, aber heute zum Glück nicht.
Ab in die Wüste
Wie immer haben wir
einen Hintereingang gefunden und kriegen vom Touristentrubel an der
Hauptroute nichts mit. Die Gegend gefällt uns unheimlich gut, es ist
fast wie auf der Baja in Mexico: Weite, Kakteen, Hügel, trockene
Bachbette und sonst… nichts. Zwischendurch kreuzen wir einen Bauer auf
seinem Töffli oder Pferd - Vaqueros werden die Gautschos hier genannt.
Hier finden wir, was wir bisher in Kolumbien bisher nur mit Mühe
gefunden haben: massenhaft schöne Campplätze einsam in der Natur. Auf so
einen Platz stellen wir uns, etwas abseits der staubigen Schotterpiste
mit Blick über die karge Landschaft und die Hügel der Tatacoa. Wir
setzen uns in den Schatten unter die Markise, trinken ein kühles Bier
und tun, was wir halt immer noch nicht so gut können - gar nichts. Der
Friede währt nicht lange. Bald kommt ein Vaquero auf ein Schwätzchen,
bewundert unser Auto und will wissen, wie uns sein Land gefällt. Es
gefällt uns, sogar sehr… so plaudern wir eine Weile und beantworten
geduldig seine Fragen, die Antworten kommen mittlerweile in flüssigem
Spanisch, es sind ja auch immer die selben ;-)
Am nächsten Tag fahren
wir einen schönen Bogen durch den einsamen nördlichen Teil der Wüste. Wie alle Touristen halten wir natürlich bei Saul. Mitten im Nichts hat er eine kleine Oase
aufgebaut mit einer Hütte, Tischen und Stühlen im Schatten, einem
kleinen Gärtli und einem grossen Pool. Eigentlich wollten wir bei Saul
etwas trinken, doch in der Kühlbox hats nur Bier und beim Stichwort
Lemonada deutet er seufzend auf sein Limettenbäumli, das gerade blüht.
Nein, so lange möchten wir nicht warten…
Bei Villavieja erreichen wir
den touristischen Teil der Wüste, Schilder ohne Ende, Restaurants,
Pools und massenhaft Touristen aller Gattungen… wir sind grad ein wenig
überfordert nach dem schönen Nichts der letzten Tage. Und genau dorthin
fahren wir wieder, trinken ein Bier oder zwei, geniessen die schöne
Landschaft, die Ruhe und den Sonnenuntergang. Beim nächsten Mal würden
wir die Runde andersrum fahren, und uns am Nachmittag bei Saul im Pool
abkühlen, dann käme das Bier nämlich auch grad recht.
Kaum ist es
dunkel, kommen Fahrzeuge mit grellem Schweinwerfer auf uns zugebrettert, genau zu uns, mitten
in der Wüste. Es ist eine Polizeikontrolle. Sechs schwerbewaffnete
Polizeibeamte blenden uns mit der Taschenlampe und fragen wer wir sind.
Freundlich erklären wir uns, und alles ist ok. Wir finden nicht heraus,
wer sie geholt hat, doch sie scheinen an unserer Erscheinung nichts
suspektes zu finden, und das wir hier campen interessiert sie schon grad
gar nicht. Nachdem sie herausgefunden, haben, dass es sich bei dem
gefährlich wirkenden Ding unter unserem Auto um unseren Benzinkocher
handelt, sind sie beruhigt und verabschieden sich höflich. Später finden
wir heraus, dass noch vor gar nicht so langer Zeit Guerillas in dieser
Gegend aktiv waren, die Leute reagieren verständlicherweise noch sehr
sensibel auf Fremde und rufen so schnell mal die Polizei.
Am nächsten
Morgen werden wir von einem Vaquero noch zu einem Tinto und einem Glas
Milch direkt ab Kuh eingeladen. Liebevoll stellt er uns seine Kühe und
Kälber vor und erzählt stolz, dass seine beste Kuh ca. 8 Liter Milch pro
Tag gibt, den Rest würde das Kalb trinken. Wir müssen grinsen wenn wir
da an unsere Schweizer Hochleistungs-Milchkühe denken, aber die Kühe scheinen
zufrieden hier, und wenn ich mir so die karge Umgebung anschaue, finde
ich es eine Leistung, dass die Kuh überhaupt Milch produziert. Die
Gastfreundschaft der Menschen hier kennt keine Grenzen, es ist uns
nirgends recht, haben wir doch auch nichts um uns zu revanchieren,
ausser unserer Anerkennung und unseren Respekt.
Die Schachtgräber von Tierradentro
Es
geht wieder zurück in die Berge. Die Strasse Richtung Popayan ist von
stinkenden, langsamen Lastwagen verstopft und in den Bergen gibt es
keine Ausweichrouten. Die Strecke führt entlang schöner Flüsse und
Canyons auf und ab in die Höhe, doch wir können es nicht so richtig
geniessen in dem ganzen Staub und Gestank der Lastwagen. Es gibt keine
Campmöglichkeiten unterwegs, so wird’s ein langer Tag hoch nach San
Andres wo sich der abgelegene Park Tierradentro befindet. Hier treffen
wir wieder auf die Vivas und der Abend ist viel zu schnell vorbei bis
wir alle News ausgetauscht haben.
Wenig ist bekannt über die
Kulturen, die zwischen 600 - 900 nach Christus die Schachtgräber
angelegt haben. Bis zu 9 Meter tief liegen die Grabhöhlen unter der Erde, in
welchen man grosse Urnen mit Asche und anderen Überresten Verstorbener
fand. Leider wurden viele Gräber geplündert, aber trotzdem sind sie auch noch heute
sehr eindrücklich.
Die verschiedenen Stätten können auf einer schönen
Rundwanderung besichtigt werden. An jeder Station wartet ein
motivierter Parkmitarbeiter, der unsere speziellen Eintrittspässe
stempelt, uns Informationen gibt und die Gräber aufschliesst. Das
Spezielle an den Gräbern sind die sehr steilen Eingänge über hohe
Steinstufen. Wir habens noch ein paar Tage in den Oberschenkeln gespürt,
denn wir waren in vielen Gräbern unten!
Wir wandern den ganzen
Morgen und geniessen dabei die wunderschöne Umgebung. Zurück beim
Eingang sehen wir uns die zwei kleinen aber feinen Museen an und lernen
nebst den spärlichen Fakten über die Schachtgräber auch etwas über die
indigene Kultur der Region.
Guambianos ausser Rand und Band
Zurück
auf der Hauptstrasse nach Popayan gehts weiter über schlechte, staubige
und stark befahrene Bergstrassen bis über 3000 müM. Wir wollen nach
Silvia, ein verschlafenes Bergdorf ohne spezielle Sehenswürdigkeiten,
wäre da nicht der Indigenamarkt jeden Dienstag.
Heute werden wir den
Ort jedoch nicht mehr erreichen, wir sind müde von der Wanderung und der
anstrengenden Fahrt und der Nachmittag schreitet unaufhaltsam voran. In
einem Restaurant entlang des Weges bekommen wir trotz der Uhrzeit noch
ein leckeres Mittagsmenü, während die Arbeiter von den Kartoffelfeldern
auf ein Agua de Panela con Queso hereinschauen. Hierbei handelt es sich
um heissen Zuckerrohrsaft - also Zuckerwasser - mit einem Arepa
(Maisküchlein) und einem Stück Weichkäse (ähnlich wie Haloumi aber
völlig geschmacksneutral), welches in das Getränk getunkt wird. Die
Leute sind wie immer unglaublich freundlich und lassen uns kostenlos
hinter dem Haus campieren.
Nach einer frischen Nacht erwartet uns ein
strahlender Morgen mit Sicht bis zu den verschneiten Vulkanen im Süden.
Von hier ist es nicht mehr weit bis Silvia, wo der Markt schon im
vollem Gange ist. Die Guambiano-Indigenas aus der Umgebung tragen ihre
bunten Trachten und kleinen Filzmelonen. Die Frauen tragen
Perlenschmuck, die Mädchen kecke Strohhüte. Viele Frauen haben
Handtaschen dabei - Guambias, daher ihr Name - in welcher sie Wolle
aufbewahren, die sie ständig mit einer Spindel zu Garn zwirnen.
Wir
kämpfen uns durch den geschäftigen Markt, studieren das bunte Angebot
und staunen über die vielen Sorten Kartoffeln die es hier zu kaufen
gibt. Wir probieren leckere Arepas und Empanadas, und kaufen einer
älteren Guambianofrau ein grosses Stück Käse ab, eingepackt in
Bananenblätter statt Plastiksack, das muss man ja unterstützen. Als wir
genug haben vom Markt, setzen wir uns auf den Dorfplatz und beobachten
das Gewusel an Menschen, Bussen, Pferdegespannen und Marktständen
ringsum und Dani kann unbemerkt ein paar tolle Fotos schiessen von der
ausgelassenen bunten Gesellschaft.
Den Nachmittag verbringen wir auf
einem schönen Ecoparque kurz vor Popayan. Hier haben wir grosszügig
Platz, einen Unterstand mit Herd und Spültrog, Bad und bequemen
Sitzgelegenheiten. Es gefällt uns so gut dass wir
grad einen Pausentag einlegen, denn die ereignisreichen und intensiven
Tage der letzten Woche gehen langsam an die Substanz. So geniessen wir
den „Sonntag“, und während ich mal wieder Brot backe, macht Dani
Servicearbeiten am Auto und wechselt den Dieselfilter. Sogar einen neuen
Reisebericht bringen wir noch zu Stande.
Popayan
Die weisse Stadt - früher
einer der wichtigsten Kolonialstädte - haben wir rasch abgehakt. Die
Gebäude der Innenstadt sind allesamt weiss gestrichen, inkl. den Kirchen
und Regierungsgebäuden. Auf der Plaza steht eine riesige Leinwand, die
die Predigt des Papstes in Bogota live überträgt. Der Papstbesuch in
Kolumbien ist eine grosse Sache und viele Kolumbianer sind deswegen
völlig aus dem Häuschen. Uns ist hier alles etwas zu „steril“, ausserdem
finden wir keine Cafes oder netten Restaurants, und der starke Verkehr
durch die engen Strassen verpestet die Luft mit Gestank und Lärm. Besser
gefällt es uns unten am Fluss, wo eine alte geschichtsträchtige Brücke
die Innenstadt mit den ehemaligen Armenbezirken verbindet.
Nach dem
obligaten Einkaufs- und Tankstopp sind wir auch schon wieder draussen
und auf dem Weg zu den heissen Quellen von Coconuco.
Das Spa in den Bergen
Die grossen, gut besuchten Thermen an der Hauptstrasse reizen uns nicht. Wir sind auf der Suche nach den Salinas Naturales,
kleine private Thermalquellen in den Bergen, nur über eine 4 km lange
Holperpiste zu erreichen. Dort angekommen gibt es einen kleinen
Parkplatz und ein Schild, welches uns versichert, am richtigen Ort zu
sein, sonst weist gar nichts auf ein Thermalbad hin.
Unser Ankommen
scheint jedoch nicht unbemerkt geblieben zu sein, eine Frau eilt vom Tal
herauf und begrüsst uns freundlich. Ja ja, hier seien wir richtig!
Etwas verwundert packen wir unsere Badetasche und folgen der Frau
bergab. Tatsächlich versteckt sich unten am Bach eine kleine hübsch
gemachte Anlage. Wir sind die einzigen Gäste und erhalten somit eine
Privatbehandlung. So werden wir erst zu einem blubbernden Schlammpool
geführt, wo wir uns mit „Heilschlamm“ einsuhlen sollen, danach zu einem
wunderschönen Wasserfall mit Pool, wo wir das Zeugs im eiskalten Wasser
wieder abwaschen. Vorbildlich hatte ich mich bis zum Gesicht
eingeschmiert und ich bin kurz vor dem Erfrieren, bis der zähe Schlamm
endlich runter ist. Dani hatte sich schon vorher verweigert und nur die
Füsse in den Schlamm gesteckt, was sich jetzt natürlich auszahlt.
Bibbernd vor Kälte laufen wir durch einen kleinen Wald nur um auf der
anderen Seite einen dampfenden, heissen Pool zu finden, in welchen wir
sogleich eintauchen. Es ist soo schön sich im heissen Wasser zu
entspannen. Es wird eine Schale mit aromatischen Kräutern gereicht und
zur Krönung relaxen wir in der sehr spartanischen, aber effektiven
Natursauna, wo wir einen Zweig Eukalyptus bekommen, dessen zerkrümelte
Blätter einen herrlichen Duft entfalten. Das ganze Ambiente hier im Wald
ist einfach einzigartig und wir hüpfen von Sauna zu Pool und wieder
zurück und geniessen das Erlebnis.
Nachdem wir genügend eingeweicht
und zum Zerfallen entspannt sind, trotten wir den Hang wieder hoch zu
unserem Auto und richten uns für eine einsame kalte Nacht in den Bergen
ein.
Auf prähistorischen Spuren in San Augustin
Die
Grabhügel von San Augustin sind weltbekannt. Eine uralte Kultur hat
hier vor langer langer Zeit Grabstätten auf den Hügeln errichtet. Die
Steingräber erinnern an Stonehege, bewacht werden sie von Skulpturen aus
Stein. Hunderte dieser Gräber und Skulpturen befinden sich in der
Umgebung von San Augustin, vermutlich ebenso viele warten noch darauf,
entdeckt zu werden, aber wie so oft fehlt es an Geld wie uns ein Guide
erzählt. Da wir mal wieder durch die Hintertür einfahren, besichtigen
wir am ersten Tag zuerst die kleineren Anlagen. Auch hier ist der „Pass“
für zwei Tage gültig und wir können uns die Stätten entspannt
einteilen. Nach San Augustin selbst wollen wir erst am zweiten Tag, so
bleiben wir auf einem - so denken wir - verlassenen Fussballplatz
oberhalb des Rio Magdalena. Gegen Abend bekommen wir Besuch von ein paar
Kindern und Halbwüchsigen. Sie sind sehr interessiert an uns und
unserem Auto, als sie dann aber mein Tablet und Handy entdecken, ist wie
so oft nichts anderes mehr wichtig. Mit geübter Hand sind im nu Spiele
und Fotogalerie geöffnet, ja scheu sind sie wahrlich nicht die
Kolumbianer.… Leider müssen wir wenig später flüchten, da sich die
Dorfbewohner hier zum freitagabendlichen Fussballspiel treffen, wir
sollen uns aber eine Kurve weiter zu einer kleinen Marienkapelle
stellen, sie hätte schon nichts dagegen…
Am nächsten Morgen fahren
wir per Offroadpiste zu einer weiteren Stätte. Steil und schlammig
geht’s den Berg hoch, die Schottterstrasse ist mittlerweile zu einem
bewachsenen Feldweg mutiert und wieder mal staun ich über die Kraft
unseres kleinen Schwergewichts. Der Besitzer der privaten Anlage staunt
nicht schlecht als wir angefahren kommen, eigentlich kämen die Touristen
von dieser Seite her nur zu Pferd…
Die Anlage ist die Schönste
überhaupt, die Figuren sind gut intakt und haben noch viel von der
ursprünglichen Bemalung. Der Besitzer führt uns selbst herum und kann
uns viel erzählen über die Skulpturen und den Stand der Ausgrabungen.
Zum Glück ist unser Spanisch mittlerweile recht passabel, so können wir
auch komplexere Fragen stellen und diskutieren. Wenn ich da an unser
Erlebnis im Foltermuseum in Mexico zurückdenke…
Wir bekommen noch den
Tipp, auf der Hauptanlage in San Augustin keinen Guide zu engagieren,
man wisse im Allgemeinen sehr wenig über die Kultur die die Skulpturen
erschaffen hat und vieles sei Spekulation, wir sollten lieber unsere
eigenen Schlüsse ziehen und uns das Geld für den Guide sparen.
So
müssen wir ein paar Mal vor uns hin schmunzeln, wenn wir eine Gruppe
Touristen sehen, die an den Lippen des Guides hängt, der in blumigen
Ausschmückungen von den Zeremonien und Bedeutungen der Figuren erzählt.
Auf und ab auf dem Trampolin des Todes
Jetzt
geht’s ganz in den Süden, auf die schöne kurvige Strecke nach Mocoa,
dem Tor zum Amazonas. Hier auf 500 Metern unten ists schon wieder ganz schön
heiss, so dass wir unseren ursprünglichen Plan, uns unten am Fluss einen
Platz zu suchen, schnell verwerfen. Ausserdem ist Sonntag und die ganze
Stadt scheint sich im Fluss abkühlen zu wollen. Nach einem sehr
reichhaltigen Frucht-Eisbecher fahren wir also auf die berüchtigte
Strasse nach Pasto - dem Trampolin de la Muerte. Die schmale
Schotterstrasse führt kurvig und steil über die Kordillere nach Westen.
Für die vielen Busse und LKW’s die hier entlang fahren müssen zwecks
Mangel an Alternativen, ist dies sicher abenteuerlich, aber für uns
eigentlich nicht soo besonders, fahren wir doch ständig solche Strecken,
ja suchen sie gerade zu. Aber die Aussicht ist wirklich schön, wenn
nicht grad Wolken die Sicht behindern und wir freuen uns, wieder in die
Höhe in kühlere Gefilde zu kommen. Unterwegs kreuzen wir ein Paar auf
Reiseenduros, wir staunen nicht schlecht als wir die Basler
Nummernschilder sehen und machen natürlich sogleich eine Vollbremsung. Nora und Pablo
sind auch schon einige Zeit unterwegs und fahren nun nach Norden, so
gibt’s natürlich viele Tipps auszutauschen. Leider steht die Sonne schon
tief, und wir müssen alle noch einen Schlafplatz suchen, was für die
Beiden mit dem Zelt natürlich noch eine Stufe mühsamer ist. So trennen
wir uns mit den besten Wünschen für die Weiterreise und dem obligaten
Erinnerungsfoto.
Wir haben Glück und finden einen verlassenen
Steinbruch am Ende eines steilen, unscheinbaren Weges. Nicht wirklich
idyllisch, doch bereits beim Kochen übermannt uns die Dunkelheit, so
dass es eh egal ist, wo wir eigentlich stehen. Hauptsache weg von der
Strasse und den grellen Scheinwerfern.
Laguna de la Cocha
Der nächste Tag
bringt uns mehrheitlich auf gutem Asphalt bis über 3000 müM und Dank des
schönen Wetters haben wir einen tollen Blick in die Täler im Westen.
Bereits gegen Mittag erreichen wir die Laguna de la Cocha - eingebettet
in die Hügel der Westkordillere, umgeben von mächtigen Vulkanen. Die
Region ist bekannt für ihre bunten Häuschen im Chaletstyle mit üppigen
Blumenkästen. Sie stehen entlang eines Baches, der zur Lagune führt. Der
Bach ist unter den vielen geschmückten Brücken und Touristenbooten kaum
auszumachen. Jedes zweite Haus ist ein Restaurant oder Hostal, gegessen
wird hier Trucha (Forelle) oder Cui asado (gegrilles Meerschweinchen am
Spiess). Diese Spezialität sparen wir uns aber für Ecuador auf wo sie
auch herkommt und fahren hoch zum Restaurant Jardin del Lago. Das
Restaurant befindet sich an bester Lage über dem See und der Garten
eignet sich hervorragend zum Übernachten. Das Restaurant wird von einem
ziemlich betagten Mütterchen geführt, welche hier noch alles selbst
macht wie sie stolz erzählt. Voller Vorfreude setzen wir uns zu Tisch
und geben die Bestellung auf. Es dauert zwar eine gute Stunde, bis
Mütterchen auftischt, aber es ist lecker. In der Zwischenzeit wollen wir
das nagelneue Internet nutzen und fragen Mütterchen nach dem „Llave“
(Schlüssel), wie hier das Passwort genannt wird. Immer wieder schaut
Mütterchen hoch zum Router und erklärt, das sei dieses Kästchen und es
sei nicht abgeschlossen. Nachdem wir ihr erklärt haben, was es mit dem
„Llave“ auf sich hat nickt sie wissend und marschiert davon. Wenig
später serviert sie die Suppe und wir denken nicht mehr daran. Erst als
sie nach dem Essen immer noch in ihrer Gaststube herumirrt und jede
Schublade aufreisst realisieren wir, dass sie tatsächlich noch immer
einen richtigen Schlüssel sucht für ihr Internet… tja, vermutlich hat
eins ihrer Kinder das WLAN für die Gäste eingerichtet und nun muss sich
die alte Dame damit herumplagen. Erwähnenswert ist hier vielleicht noch
das Dessert. Dieses besteht aus einem Stück frittiertem Käse - ja genau
der quietschende geschmacksneutrale - garniert mit Honig und Panela. Was
soll ich sagen, mir hat die ungewohnte Mischung gar nicht mal so
schlecht geschmeckt...
Wieder so ein nerviger Einkaufstag…
Pasto
ist für uns die letzte grössere Stadt auf dem Weg zur Grenze und wir
wollen noch ein paar Dinge besorgen, bevor es nach Ecuador geht, wo das
Preisniveau deutlich höher liegt. So bunkern wir nochmal Vorräte, kaufen
uns zwei neue schicke Pullis und lassen endlich den schleichenden
Platten flicken. Das geht hier ganz fix und fast an jeder Ecke. Schnell
ist das Loch gefunden, doch als der Reifen von der Felge ist, sehen wir
noch einen fetten spitzen Nagel, der sich in den Reifen gebohrt hat.
Beide Löcher werden mit Kautschuk gestopft und mit je einem Patch
verschlossen. Die Luxusvariante kostet zwar etwas, aber wir wollen ja
noch viele Kilometer fahren mit unseren KO2. Dies war der ersten Platten
nach über 55‘000 km on the road, keine schlechte Bilanz würde ich
sagen!
Wir sind froh aus der mühsamen Stadt rauszukommen und fahren
auf die Panoramastrasse, die rund um den Vulkan Galeras führt. Bei
schönem Wetter sicher eine tolle Sache, doch Wolken und Nebel versperren
die Sicht, der Verkehr trägt auch nicht gerade zur Unterhaltung bei, so
suchen wir uns bald einen Platz. Dies ist allerdings leichter gesagt
als getan und wir fahren mal wieder viel weiter als wir eigentlich
wollten. Müde vom langen Tag landen wir schlussendlich auf einer alten,
unbenutzten Strasse, wo wir uns von Zuckerrohr und Bananenstauden
versteckt von der Strasse hinstellen. Die knusprigen Cordon Bleus zum
Znacht heben die Stimmung zum Glück wieder deutlich an.
Volcan Azufral oder das letzte „High“-light in Kolumbien
Wenns
bei uns stottert und raucht geht’s in die Höhe. Tico findet immer einen
Grund zum Rebellieren, seis der schlechte ACPM-Diesel oder die niedrige
Luftzufuhr in der Höhe. Das manuelle Verstellen der Einspritzdüse hat
bisher noch keine markante Veränderung gebracht, aber das ist ein
langsames Herantasten und bisher fehlen uns noch die Erkenntnisse, wir
werden in Ecuador sicher noch genügend Gelegenheiten zum Pröbeln
bekommen.
Der Parkplatz zur Wanderung auf den Volcan Azufral befindet
sich auf 3‘600 müM. Wir sind bereits am Mittag da, damit wir uns noch
etwas anklimatisieren können für die Wanderung morgen. Doch kaum ist die
Sonne weg, frischt der Wind auf und es wird ungemütlich kalt, so
verbringen wir den Abend - genau wie die mittlerweile eingetroffenen
Vivas - jeder in seinem Fahrzeug mit schnurrender Standheizung.
Wir
starten die Wanderung früh am Morgen bei Niesel und dichtem Nebel.
Gemäss Hüttenwart soll es heute ein schöner Tag werden, na also, nichts
wie los. Nach 400 bezwungenen Höhenmetern ist die Lage noch immer
schitter bis bewölkt, keine Chance auf einen Blick in den Krater oder
runter ins Tal. Zur Laguna Verde geht’s wieder 700 Meter hinunter in den
Krater. Während die Jungs den direkten steilen Weg nehmen, meinen wir
Mädels den einfacheren Weg aussen rum zu nehmen, stellen aber nach einer
halben Stunde fest, dass dieser Weg aussen um den Krater führt. Wir
drehen wieder um, denn bei dieser Sicht haben wir keine Lust auf die
Zusatzkilometer. Beim Abstieg zum Krater treffen wir die Jungs auf dem
Rückweg. Auch unten ist die Sicht gleich null, so sparen wir uns den
restlichen Abstieg und treten den Rückweg an. Wir sind schon etwas
enttäuscht, haben wir weder Aussicht noch die schöne Lagune im Krater
gesehen, aber so ist das halt mit dem Wetter in den Bergen, man kann
nicht immer Glück haben…
Die Kirche von Las Lajas
Es ist noch
früh, so nehmen wir gleich die letzte Etappe in Kolumbien in Angriff und
fahren zur Grenze nach Las Lajas. Dort befindet sich eine schöne
gothische Kirche unten in einer Schlucht. Wir fahren ganz stilecht mit
der Seilbahn ins Tal, von welcher aus man eine schöne Sicht auf die
Kirche hat. Für die kurze Strecke brauchen wir fast eine halbe Stunde,
denn die Seilbahn entspricht so ziemlich dem kolumbianischen
Arbeitstempo ;-)
Als wir zum Auto zurückkehren, regnet es bereits
wieder, so bleiben wir grad auf dem weitläufigen Parkplatz stehen und
kochen eine wärmende Minestrone zum Znacht. Die Kirche hat uns super
gefallen, doch sind wir etwas deprimiert, dass unsere schöne Zeit in
Kolumbien auf einem Parkplatz im Regen endet. Vielleicht ist es aber
auch besser so, wer weiss, ob wir sonst dieses wunderbare Land morgen
einfach so verlassen könnten.
Fazit Kolumbien
Dieses Land nach zwei
Monaten zu verlassen fällt uns sehr schwer. Wir haben uns richtiggehend
verliebt in Land und Leute, was man wohl beim Lesen der Reiseberichte
unschwer merkt. Das Land ist unglaublich vielseitig, von der Karibik im
Norden, über die hohen Berge im Osten, die Kaffeeregion in der Mitte und
der rauhen Landschaft im Süden. Das Land ist gigantisch gross, und wir
haben eigentlich nur einen kleinen Teil bereist, trotzdem sind wir ganze
4'655 km gefahren. Keine Region gleicht der anderen, doch eines hat das
ganze Land gemein: unglaublich freundliche, hilfsbereite und herzliche
Menschen. Keine einzige Begegnung der unfreundlichen Art, weder mit
Behörden noch Bauern, an Tankstellen oder beim Einkaufen, wir haben
ausnahmslos freundliche, zuvorkommende Menschen getroffen. Egal ob
Mütterchen mit Einkäufen, Strassenarbeitern oder Militär, alles winkt
und pfeift am Strassenrand, wir haben uns jederzeit sicher und
willkommen gefühlt.
Polizei und Militär sind auch in Kolumbien sehr
präsent, die Kontrollen sind jedoch immer freundlich und kurz, ein woher
und wohin, evt. ein paar neugierige oder beeindruckte Kommentare und
gut ists. Das allgegenwärtige „Daumen hoch“ des Militärs rührt noch aus
früherer Zeit mit starker Guerillaaktivität und signalisiert alles ok,
die Strasse ist sicher.
Das Hauptstrassennetz ist gut ausgebaut,
kostet allerdings auch ziemlich Gebühren. Wir haben gesamthaft CHF 78.00
an Strassengebühren bezahlt, obwohl wir uns häufig auf ungeteerten
Nebenstrassen aufgehalten haben, die gebührenfrei und weniger stark
befahren sind als die Hauptrouten. Was in Kolumbien wirklich schwierig
ist, sind schöne Wildcamps zu finden. Das Land wird rege genutzt, ob
Ackerbau oder Viehzucht, alles ist eingezäunt oder sonst nicht
zugänglich. In den Bergen ist es rein topografisch kaum möglich, einfach
von der Strasse wegzufahren und es gibt kaum Wege die sich irgendwo an
einem Fluss oder Wald verlaufen wo man campen könnte. Mit etwas Geduld
haben wir allerdings immer etwas gefunden, ausserdem gibt es viele
brauchbare Plätze auf iOverlander. Wir wurden nur einmal "verjagt", und
dies auch nur, weil wir auf einem Fussballplatz standen und die Leute
spielen wollten ;-)
Auch in Kolumbien werden die Verkehrsregeln eher
dynamisch interpretiert, Vorfahrt hat wer schneller und frecher ist, und
in Punkto riskanten Überholmanövern auf Bergstrassen kennen die
Kolumbianer nun wirklich gar keine Skrupel. Auch in der Stadt ist es
sehr stressig und man muss auf alles gefasst sein!
Fahrtechnisch
haben wir es in Kolumbien etwas gemütlicher angehen lassen mit einem
Tagesdurchschnitt von 76 km pro Tag, schätzungsweise die Hälfte davon
auf unbefestigten Strassen.
Der Diesel hat uns eine Menge
Kopfzerbrechen bereitet. Der ACPM-Diesel ist an jeder Terpel-Tankstelle
erhältlich, schien uns aber qualitativ nicht besonders zu sein. Bei Esso
und Mobil ist teilweise Supreme-Diesel erhältlich, welchen wir vor
allem für höhere Regionen bevorzugt haben. Leider haben wir nicht
herausgefunden, wie hoch der Biodieselanteil ist, aber grundsätzlich
zeigt sich anhand des hohen Verbrauches von durchschnittlich knapp 16
l/100 km, dass Tico nicht wirklich damit zufrieden war. Allerdings
spielen hier noch andere Komponenten mit wie die vielen Höhenmeter in
den Bergen. Der hohe Verbrauch ist angesichts des Dieselpreises von
durchschnittlich CHF 0.56 etwas besser zu verkraften.
Unser Tagesdurchschnitt belief sich in Kolumbien auf CHF 47 für 2 Personen pro Tag.
Essen
in einfachen Restaurants ist unglaublich günstig. Die Preise für
Lebensmittel varieren je nach Supermarkt, vor allem Importwaren (Käse,
Salami etc.) schenken recht ein. Somit ist der Posten
Lebensmittel/Restaurant mit 44% wie immer der höchste Ausgabenpunkt,
gefolgt von Diesel mit knapp 17%. Übernachtungskosten schlugen mit 14%
zu Buche, da wir doch häufig Campingplätze in Anspruch nehmen mussten.
Apropos
Essen: Dieses ist auch in Kolumbien etwas einseitig. Die üblichen
Verdächtigen (Reis, Bohnen, Platanos und Poulet) dominieren, dafür ist
im Menü in der Regel eine leckere Suppe und ein frischer Fruchtsaft
enthalten. Das Angebot an Früchten ist einfach paradiesisch und wenn man
denkt, man hätte jede Frucht ausprobiert, findet man auf dem nächsten
Markt garantiert wieder etwas Neues.
Grosse Supermärkte finden sich
lediglich rund um grössere Städte, ausserhalb muss man sich seine Waren
häufig in verschiedenen kleinen „Tiendas“ zusammensuchen.
Alles in Allem ist Kolumbien für uns einfach TOP und ziemlich weit oben auf unserer Länderhitliste!