Bolivien

Die letzten 80 Kilometer bis zur Grenze sind kurzweilig, denn die Sicht über den Titicacasee und die dahinterliegenden Schneeberge von Bolivien ziehen uns völlig in ihren Bann. Noch einmal füllen wir den Dieseltank mit peruanischem Diesel, denn es soll nicht ganz einfach sein, als Ausländer in Bolivien Treibstoff zu bekommen.
An der Grenze sehen wir uns eingekeilt zwischen drei doppelstöckigen Touristenbussen, dass nenn ich mal Timing. Die Schlange an Backpackern vor dem Zollgebäude geht bereits gegen die 20 Meter, das kann dauern… Rasch stellen wir uns an, bevor sich auch noch die Ladung aus dem dritten Car dazugesellt. Die Zollbeamten scheinen völlig überfordert. Es geht gar nichts mehr und schliesslich werden alle sich bereits im Zollgebäude befindlichen Leute herausspediert. Nebenan wird ein neuer Schalter geöffnet und ein Polizist kontrolliert die Pässe, damit es am Einreise- (und Ausreise-) schalter schneller geht. Nun herrscht ein Gewusel zwischen Polizeischalter und Migration, Zollformulare werden ausgegeben wie Schnitzelbängg-Zeedel an der Fasnacht. Zum Glück sind wir diesbezüglich vorbereitet und so dauerts bei uns nicht so lange. Nun schnell auf die bolivianische Seite, bevor die Tourihorde da ist. Bei der Migration geht alles sehr schnell, und auch unser Auto ist schnell eingeführt dank eines sehr speditiven, jungen Beamten am Schalter. Derweil studiere ich die Fensterscheibe, die mit Aufklebern von Overlandern und Motoclubs übersät ist - auch einige bekannte sind dabei. Scheu frag ich den Beamten, ob wir uns hier auch verewigen dürfen, was er begeistert erlaubt, nicht auszudenken in der Schweiz :-)
 
Nun sind wir also in Bolivien. Optisch unterscheidet sich nichts vom vorhergehenden Land. Auch hier liegt der Abfall in jeder Ecke, verkaufen Frauen in Trachten ihr Gemüse am Strassenrand und lungern die Männer Coca-kauend an den Hauswänden. Nein, etwas fehlt! Anders als in Peru sind die Hausfassaden nicht mit Wahlpropaganda beschmiert - es scheint kein Wahljahr zu sein. In Bolivien regiert mit Evo Morales ein indigener Cocabauer, ob er das Land vom korrupten Regierungsapparat befreien kann? Wir haben da so unsere Zweifel…
 
Der Grenzort Copacabana ist von Touristen überlaufen. Man könnte meinen, dass der Name von der bekannten brasilianischen Stadt am Zuckerhut stammt, aber in Wahrheit ist es tatsächlich umgekehrt! Hier finden wir gleich beim ersten Versuch einen Bancomat (BancoFie), der uns die gewünschten Bolivianos kommissionsfrei ausspuckt, mit welchen wir dann auch sogleich eines der zahlreichen Restaurants an der Hauptstrasse aufsuchen. Wir staunen über das Preisniveau; war ein Mittagsmenü in Peru schon preiswert, ist es hier nochmal um einiges günstiger!
Auch landschaftlich gefällt uns das Land auf Anhieb. Wir überqueren einen kleinen Pass und geniessen eine atemberaubende 360°-Aussicht über die bolivianische Seite des  Titicacasees und die Bergwelt. Auch das Wetter tut das seine zur Umrahmung der Postkartenidylle, besser kann man in einem neuen Land wohl nicht starten!
Die Strasse führt wieder hinunter zum See und wir staunen nicht schlecht, als wir zum Ufer eines Flusses kommen. Keine Brücke weit und breit, die offizielle Hauptstrasse von Peru nach La Paz ist tatsächlich an dieser Stelle unterbrochen und muss per Floss überquert werden. Ja ihr lest richtig, ganze Reisecars werden auf diese riesigen Flösse verfrachtet und mit Staken und einem kleinen Aussenborder ans andere Ufer befördert. Offenbar will die Regierung schon längst eine Brücke über den Fluss bauen, doch jeder Versuch endet in einem ausgedehnten Streik der Flösser, die dann ja ihren Job verlieren würden.
Uns gefällts am Titicacasee und wir lassen uns in einem Eukalyptuswäldchen auf einer schmalen Landzunge nieder. Am Wochenende muss hier wohl die Hölle los sein, wie man an den vielen Lagerfeuern und überfüllten Abfallkübeln sehen kann, doch die nächsten zwei Tage stehen wir hier völlig alleine, geniessen den See, die Einsamkeit und die eukalyptusgeschwängerte Luft. Einfach mal nix tun, das geht ja nicht bei uns, so planen wir unsere Route durch Bolivien, backen seit langem mal wieder Brot, waschen das Auto und sammeln Holz fürs abendliche Lagerfeuer. Am Tag ist es herrlich warm an der Sonne, doch kaum ist diese weg, merkt man die Höhe und es wird empfindlich kalt. An das Klima werden wir uns wohl gewöhnen müssen, denn diese Höhe wird uns durch ganz Bolivien begleiten.


La Paz
Je näher wir der grössten Stadt Boliviens kommen, desto chaotischer wird der Verkehr. Wer blinkt verwirrt, wer bremst verliert und wird gnadenlos abgedrängt. Ja nicht nach rechts oder links gucken, stur das Ziel fokussieren, gehupt wird oft und gerne, Handzeichen jeglicher Art sind erwünscht - der ganz normale Wahnsinn eben.
Wir kommen über den Altiplano über El Alto in die Stadt. Früher mal die Armensiedlung am Stadtrand, ist El Alto heute ein eigener Stadtteil mit eigener Verwaltung.
Plötzlich liegt er vor uns, der Moloch El Paz. 500 Meter tiefer gelegen, eingebettet in ein Tal, umgeben von Bergen und bizarren Sandsteinformationen, drängen sich die Häuser weit nach oben in den Hang, im Zentrum unten moderne Hochhäuser, über allem schweben unzählige Seilbahnen. Der Anblick der Stadt von oben ist einfach atemberaubend. Leider können wir nicht gross dem Anblick frönen, der Verkehr hat schliesslich nicht nachgelassen und zudem geht’s jetzt noch steil nach unten! Es riecht nach Bremsen und Kupplung, nebenan fängt ein Taxi heftig an zu rauchen bis schliesslich der Kühlerschlauch wegfliegt, es ist ein Chaos sondergleichen an diesem Mittwochmorgen zur Rushhour.
Konzentriert lotse ich Dani nach GPS durch die verworrenen Strassen, denn unser Ziel liegt so ziemlich mitten drin im Kuchen. Wir wollen zu Ernesto Hug, Schweizer Mechaniker und vermutlich jedem Overlander ein Begriff. Ernesto hat sich in der Szene einen Namen gemacht, kennt die gängigsten Overlanderfahrzeuge in- und auswändig und seine Mechaniker leisten saubere und sorgfältige Arbeit.
So wollen auch wir unseren Tico durchchecken und durchschmieren lassen, diverse Flüssigkeiten wechseln und gegebenenfalls einige Teile austauschen lassen. Ein weiterer Vorteil bei Ernesto ist, dass man während der Reparaturen in seiner Garage campen kann, die Suche nach einem Hotel und das Hin- und Hergerenne entfällt damit auch schon mal.
Ernesto hat erst am Montag Zeit für uns, wir dürfen allerdings bereits am Freitagnachmittag bei ihm „einziehen“, Tico in Ruhe waschen und übers Wochenende bereits Vorarbeit leisten, was natürlich ganz in Danis Sinn ist.

So fahren wir auf mehr oder weniger direktem Weg raus aus der Stadt Richtung Valle de la Luna, dahinter verbirgt sich nämlich ein weiteres Highlight von La Paz, welches jeder Overlander kennt: das Hotel Oberland, bekannt für seine Schweizer Spezialitäten und seinen Hinterhof, welcher zum Overlandtreff mutiert ist. Das Timing passt und so geniessen wir zum Zmittag sehr feines Stroganoff mit Rösti und Spätzli. Auf Tipp von den „Gufligers“, Hifi und Caro, die wir endlich auf dem Weg zum Hotel Oberland kurz getroffen haben (hoffentlich bald wieder und ohne Verkehrsstress) fahren wir zum Schlafen allerdings ein Dorf weiter zum Camping Colibri, welcher wunderschön liegt und jede Infrastruktur bietet, die man sich als Reisende wünschen kann.
So vergeht die Zeit bis Freitagnachmittag denn auch im Flug mit dem schnellen Internet im Colibri, Pizza essen beim Italiener - ich sag nur Rucola! - und nochmal lecker essen im Oberland am Freitagmittag, wo wir dann beim Chateau Briand auch wieder auf die Vivas treffen. Wir haben für Sonntag beim deutschen Auswanderer Gerd - von welchem wir schon viel gehört haben - eine Stadtführung gebucht und freuen uns sehr, dass die  Vivas und ihr Besuch Stephane auch dabei sein werden.

Bei Ernesto heisst es dann erstmal Tico sauber kriegen, das nehmen wir denn auch sehr ernst, in Ernestos Werkstatt kann man nämlich buchstäblich vom Boden essen. Am Samstag haben wir die Werkstatt für uns alleine und während Dani unter anderem die hinteren Bremsen und die Keilriemen wechselt und alles für den Service am Montag vorbereitet, unterzieh ich Ticos Innere einer Vollreinigung unter Zuhilfenahme des Industriesaugers - welch ein Luxus!

Abgesehen von spätabendlicher „Guggemusik“ und anderem Lärm eines sehr alkohollastigen Strassenfestes schlafen wir gar nicht so schlecht in der Werkstatt und sind am Sonntag morgen fit für die Stadtführung. Am Morgen fahren wir mit den neuen Doppelmayr Seilbahnen über die Stadt, während uns Gerd viel Interessantes über La Paz erzählt. Teilweise fährt man nur wenige Meter über den Häusern an den Hängen vorbei, und kann den Menschen direkt in die Innenhöfe gucken! Zum anderen geniesst man eine Panoramaaussicht über die Stadt und die umliegenden Berge. Wir spazieren durch den gewaltigen Markt in El Alto und Gerd zeigt uns die vielen Wellblechverschläge, in denen Wahrsagerinnen praktizieren. Die „Pacenos“ - wie die Einwohner La Paz genannt werden - sind ein abergläubisches Volk und vor jeder wichtigen Entscheidung wird die „Wahrsagerin des Vertrauens“ konsultiert.
Auf die lebensgrossen Puppen angesprochen, die immer mal wieder an Laternenpfählen hängen und uns an unsere Dorffasnacht erinnern, erklärt uns Gerd, dass in Bolivien tatsächlich noch die Lynchjustiz existiert. Obwohl es eigentlich verboten ist, werden besonders in abgelegenen Regionen Verbrechen von den Dorfbewohnern selbst gerichtet. Die Polizei bekommt davon nichts mit oder verschliesst die Augen. Die Puppen dienen der Abschreckung und als Warnung, unglaublich… seither läufts uns bei jeder dieser Puppen eiskalt den Rücken runter!
Zum Mittag probieren wir die lokale Spezialität „Saltenas“: Teigtaschen gefüllt mit Fleisch und Suppe, etwas kompliziert zum Essen aber gar nicht mal so schlecht je nach Sorte. Am Nachmittag laufen wir durchs Stadtzentrum, wo uns eigentlich gar nichts begeistert. Die wenigen Kolonialgebäude sind grösstenteils am zerfallen, am Hauptplatz dominiert das scheussliche Betonhochhaus, das Präsident Evo Morales gerade als neuen Präsidentensitz bauen lässt, direkt hinter dem aktuellen Regierungspalast aus Kolonialzeiten. Damit setzt er ein deutliches Zeichen gegen die spanischen Inquisitoren und was von dieser Zeit übrig blieb.
Zum Schluss zeigt uns Gerd noch den Hexenmarkt. In den kleinen Krämerläden findet man zahlreiche Zutaten für all die Tränke und Mixturen, die die Wahrsagerinnen zur Lösung sämtlicher Probleme und Krankheiten verordnen, aber auch Lamaföten, Errektionspülverchen oder Liebeszauber. Auch hier weiss Gerd viele Anekdoten zu erzählen, doch mittlerweile sind wir ziemlich erschlagen. Die ganze Führung gestaltet sich etwas träge und langatmig, Gerd weiss zweifelsfrei viel, findet aber häufig keinen Punkt. So beschleunigen wir das Ende ein wenig und sind am Schluss so erschöpft, dass wir auf das gemeinsame Abendessen verzichten und uns per Taxi auf den Weg zurück zu „unserer“ Werkstatt machen, während die anderen Richtung Camping fahren.

Bis zur Werkstatt kommen wir nicht, das Strassenfest scheint heute seinen Höhepunkt zu erreichen und wir müssen uns zur Fuss durch den Tumult kämpfen. Entschädigt werden wir durch den Anblick dutzender Tanzgruppen aller Altersklassen, dazwischen immer wieder Blaskapellen bei welchen nur eines gilt: je lauter desto toll.
So wird denn dies auch ein ziemlich nerviger Abend, die enge Strasse wirkt wie ein Verstärker und wirft den Lärm doppelt und dreifach zu uns herüber, dabei wünschen wir uns nach dem anstrengenden Tag wirklich nur ein wenig Ruhe…
 
Nichtdestotrotz steht Dani am Montagmorgen schon um 7.00 Uhr in Arbeitskleidung bereit für den Service, auch Sergio trudelt mit seinem Defender kurz vor acht ein. Uns wird Mechaniker Jaime zugeteilt, mit welchem sich Dani prächtig versteht - mit Hand und Fuss versteht sich ;-) Bald wird klar, dass bei Tico keine grösseren Arbeiten nötig sind und wir die Werkstatt heute noch verlassen können. Ganz anders leider bei Sergio und seinem „Rhino“. Er kam eigentlich nur für den Oelwechsel und beim Check entdeckt der Mechaniker eine kaputte Getriebeauflage. Dies bedeutet für Sergio Herumrennen und jemanden finden, der so was basteln kann. Derweil geh ich auf Shoppingtour und leiste mir den dringend nötigen Besuch beim Coiffeur.
Am Nachmittag sind wir mit besten Wünschen für die Weiterreise entlassen, Sergio nehmen wir gleich mit zum Camping, wo Nadine mittlerweile in ein „Tippi“ umgezogen ist, da „Rhino“ in der Werkstatt bleiben muss. Nadine und Stephane sind sicher nicht böse über die Verzögerung, beide haben seit gestern üble Magen-Darm-Probleme, vermutlich lags an den „Saltenas“, die beiden hatten nämlich als einzige welche mit Poulet!

An unserem letzten Abend wollen wir mit Sergio nochmals zum Italiener, doch der hat leider nicht geöffnet. Der Chef hat allerdings dermassen Mitleid mit unseren enttäuschten Gesichtern, dass er uns eigenhändig ins nächste Dorf ins „Oberland“ fährt, wo wir noch einmal dem sündhaft guten Chateau Briand mit Sauce Bernaise und Spätzli frönen ;-)


Auf endlosen Abwegen
Der berühmte „Camino del Muerte“ - ehemals Boliviens gefährlichste Strasse - reizt uns nicht. Zwar führt sie spektakulär von über 4‘500 Meter in den Bergen in engen, steilen Kurven runter in den Dschungel auf 1‘500 Meter, doch wird sie heute nur noch von Touristen befahren und die eigentliche Gefahr sind die zahlreichen Mountain Biker, die sich kopflos die Piste runter stürzen. Da suchen wir uns doch lieber unsere eigenen Abenteuer.
Nochmal durch La Paz zu fahren wollen wir uns nicht antun, also lieber gleich vom Camping aus weiterfahren. Nach einem letzten Frühstück mit den Vivas und Stephane fahren wir direkt nach Südosten. Auf unserer Karte ist die Strasse relativ gerade und direkt eingezeichnet, in Wirklichkeit führt uns die Piste jedoch endlos auf und ab durch Berge und Schluchten, steil hoch auf fast 5‘000 Meter, dann wieder runter in die heisse, trockene Steppe.
Wir fahren am Morgen bei Nieselregen und Nebel los, keine Chance den über 6‘000 Meter hohen Illimani-Gipfel zusehen. Stattdessen treiben wir Tico durch den Nebel, durch zähen Matsch, grobe Steinpisten und ärgern uns, dass wir die Strecke vorher nicht genauer studiert haben. Beim Bergabfahren lichtet sich plötzlich der Nebel und wir haben freien Blick runter ins Tal und über die Bergkette vor uns. Wir steigen aus und geniessen den Anblick, da steigt vor uns ein Kondor aus der Schlucht empor und lässt sich vom Aufwind in die Höhe treiben, wow…
Von hier aus ist die Strecke spektakulär, die Wolken sind verschwunden und geben nun doch noch den Blick auf die schneebedeckten Giganten frei.
Wir schlafen auf 4‘200 Meter und brüten über den Karten. Was wir nämlich völlig verpeilt haben ist, dass die Strasse über einen gut 5‘000 Meter hohen Pass führt. Es war eigentlich nicht die Idee, den ganzen guten Peru-Diesel schon hier im Norden zu verpuffen. Eine Alternative muss her. Wir gehen auf Risiko und wählen eine unscheinbare Dirtroad weiter südlich. Es hat die ganze Nacht geregnet und die Piste ist teilweise recht schlammig, wenn auch die Landschaft dafür entschädigt. Nach einem weiteren langen Fahrtag erreichen wir die Hauptstrasse nach Oruro, von wo wir uns Richtung Salar de Uyuni, dem grössten Salzsee der Welt machen.
In Oruro stellen wir uns der Herausforderung Diesel zu kaufen. Bolivien stellt seinen Treibstoff selber her und verkauft diesen den Einheimischen zum Selbstkostenpreis von 3.75 Bolivianos (ca. 0.51 CHF), die Ausländer hingegen zahlen für den Liter Diesel 8.50 Bolivianos (ca. 1.17 CHF). Dies wäre allerdings nicht das Problem, sondern dass sich viele Tankwarts weigern, Treibstoff an Ausländer zu verkaufen, weil sie dann einen grossen administrativen Aufwand am Computer haben, um ein Formular auszufüllen. Man sagt, viele Tankstellen seien technisch gar nicht dazu in der Lage, vielleicht ist ihnen der Aufwand aber auch einfach nur zu gross. So verkaufen einige Tankstellen gar keinen Diesel an Ausländer, andere lassen mit sich handeln, indem man auf die Quittung „verzichtet“, die Differenz geht dann in die Tasche des Tankwarts. Vieler Stories anderer Reisenden zum Trotz hatten wir keine Probleme und konnten einen guten Preis aushandeln.


Die Nordanfahrt zum Salar de Uyuni
Um zum Salzsee zu gelangen, entscheiden wir uns für die Nordanfahrt via dem Vulkan Tunupa. Der Weg führt durch Sandwüste und Steppe. Trotz Wolken campen am Rande eines trockenen Bachbetts. So wie die Gegend hier aussieht, hats schon lange nicht mehr geregnet. Falsch gedacht, gerade als wir anfangen wollen zu kochen, peitscht ein Gewitter über uns hinweg, gefolgt von heftigem Hagel. Innert Minuten ist die Landschaft mit erbsengrossen Hagelkörnern bedeckt. Nach einer Stunde ist alles vorbei und aus dem Bachbett wurde ein beachtlicher Bach. Wo kommt das ganze Wasser her? Das ist uns zu unsicher, wir packen zusammen und ziehen in etwas höheres Gefilde um. Am Morgen laufen wir nochmal zum Bach, der jetzt wieder zu dem unschuldigen Bachbett mutiert ist, welches wir gestern vorgefunden haben. So viel zu den Tücken eines Bachbetts in der Wüste….
Auf dem Weg zum Vulkan Tunupa halten wir an einer kleinen versteckten Mineralquelle hinter einer Düne. Zwischen grasenden Alpakas, Enten und Flamingos füllen wir unsere Brauchwasservorräte und waschen uns im klaren aber kalten Wasser um unsere Trinkwasserreserven zu schonen, wer weiss, wo wir wieder auffüllen können.
Der Vulkan Tunupa leuchtet in allen Erdtönen. Wir fahren hoch soweit es geht und wandern von dort auf einen Mirador, wo wir einerseits eine spektakuläre Sicht auf den Krater haben und auf der anderen Seite fast den ganzen Salzsee überblicken können. Wie ein endloses weisses Meer breitet er sich unter uns aus, man erkennt Inseln und wenn man ganz genau schaut auch vereinzelte Autos, die schnurgerade über den Salzsee ziehen. Bevor wir uns allerdings aufs Salz wagen, besuchen wir auf dem Rückweg zum Parkplatz noch die Mumien, die in einer kleinen Höhle gefunden wurden und noch immer mehr oder weniger friedlich da liegen. Wir hören den Ausführungen des Wächters nur halbherzig zu, uns steht der Sinn nach Abenteuer - ab auf den Salzsee!


Auf dem Salar de Uyuni
Ein mulmiges Gefühl ist es schon, wenn man von der präparierten Piste auf die harte Salzkruste fährt, rechts und links Wasser, ein Durchkommen an diesen Stellen unmöglich. Jetzt zu Beginn der Regenzeit ist es nicht selbstverständlich, dass man den Salzsee noch überall befahren kann, doch bevölkern unzählige Tourfahrzeuge den See und ein Tourguide meint, es sei jetzt kein Problem, die Salzschicht sei noch dick genug! Nun denn, wir fahren beherzt auf der Salzkruste und tatsächlich, es fährt sich wie auf Asphalt. Es dauert keine zwei Minuten, und Dani biegt vom Hauptweg ab und fährt Direktkurs auf die nächste Insel, so haben wir das aber nicht besprochen mein Lieber!
Es macht unglaublich Spass auf dem See herumzukurven. Wir fahren einige der Inseln an, immer darauf bedacht, nicht zu nah ans Ufer zu kommen wo die Salzkruste dünn ist. Wir campen im Windschatten einer Insel, trotzdem treibt uns der kalte Wind bald ins Auto. Es ist ein komisches Gefühl auf dem Salzsee zu schlafen und nachts träume ich, wir wären eingebrochen und kämen nicht mehr heraus. Am Morgen stehen wir allerdings noch immer fest auf dem See, doch hat sich hinter dem Hinterrad ein Loch gebildet, wo das Wasser unseres Lavabos abfliesst. Erschreckend dünn ist die Salzschicht und Dani fährt entsprechend vorsichtig von den Keilen.
Wir verbringen den ganzen Tag auf dem See, schiessen die obligaten Perspektivenbilder und staunen, dass es viel schwieriger ist als es scheint, die Täuschungen echt wirken zu lassen. Dann fahren wir zur grössten Insel im See, der Isla Incahuasi, die uns aber viel zu touristisch ist. Wir klettern auf den Lavainseln rum und bestaunen die uralten Kakteen und die vielen Vögel, die in dieser unwirtlichen Umgebung leben. Am Schluss fahren wir das Dakar Monument an, welches auch komplett aus Salz gebaut ist. Wir schiessen ein Foto und werden daran erinnert, dass unser Traum, einmal die Dakar-Rallye live zu sehen, nicht in Erfüllung gehen wird. Das Timing ist miserabel, während wir im Januar in der Atacamawüste sein werden, wird die Rallye diesmal durch Peru und Bolivien geführt. Man kann halt nicht alles haben, trotzdem wurmts uns ein wenig, als wir vor dem Flaggenwald stehen.
Wir verlassen den See bei Colchani und fahren nach Uyuni. Nach einer gründlichen Autowäsche geht’s für die Nacht zum Zugfriedhof, wo wir uns windgeschützt zwischen die rostigen, im Abendlicht geisterhaft wirkenden Züge stellen, wo wir mit einem perfekt gebratenen Rindsfilet und einer Flasche chilenischem Malbec einen weiteren Meilenstein auf unserer Reise feiern!


Im Valle de las Rocas
In San Cristobal tanken wir auf meinen Wunsch nochmal auf. Wir haben noch 150 Liter guten Peru-Diesel (Primax) im hinteren Tank, den wir jetzt endlich öffnen, nachdem wir das Gewicht bereits durch halb Bolivien kutschiert haben. Trotzdem fühl ich mich wohler, wenn wir genug Reserve einkalkulieren, da die Lagunenrunde 1. hoch, 2. sandig und 3. steinig ist, alles Faktoren, die auf unseren Dieselverbrauch schlagen. Wieder handeln wir problemlos einen guten Preis aus, einmal mehr bestätigt sich, dass man sich von den Gerüchten und Storys nicht verrückt machen lassen sollte.
Da wir noch nicht gleich in die Höhe wollen (wir sind ja schon auf 3‘700 Meter), machen wir einen Abstecher ins hintere Valle de las Rocas, welches auf der östlichen Lagunenroute liegt. Vorbei an einem spektakulären Aussichtspunkt über dem Tal und den schwarzen „Rio Anaconda“, fahren wir die rumplige Piste mitten ins „Felsental“. Wir suchen uns einen windgeschützten Platz, packen Tisch und Stühle aus und machen für heute Feierabend. Der „freie Nachmittag“ tut gut, die nächsten Tage werden schliesslich noch anstrengend genug. Wind und Höhe werden uns zu schaffen machen und bei den erwarteten eisigen Temperaturen werden wir wohl nicht oft draussen sitzen, sünnele und den drolligen Chinchillas beim Herumwuseln zusehen können.


Die Lagunenroute

Die berüchtigte Strecke steht ihrem Ruf um nichts nach: Wellblech, Sand und steinige Pisten zwischen 4‘500 - 5‘000 müM, eisiger Wind und frostige Nächte. Dagegen halten einsame Weite, Wüste, Berge, Vulkane und Lagunen die in allen Farben schimmern. In der kargen Höhe leben Vicunas, Füchse, Chinchillas und viele Vögel, darunter alleine 3 Flamingoarten!
Wir geniessen die Tage in der Höhe und können uns nicht satt sehen an der Natur, die in allen Pastellfarben strahlt. Das Wetter könnte besser nicht sein und die Sonne tut das ihre zur Beleuchtung der unrealen Szenerie. Nach jeder Kuppe zeigt sich eine andere Landschaft und immer wieder Seen - eine Bilderbuchlandschaft ohne gleichen! Auf einer übel sandigen Piste überholen wir ein paar Velofahrer und staunen mal wieder, wie man so toughes Gelände mit einem vollbepackten Bike überwinden kann. Wie immer fragen wir ob sie etwas brauchen - und sie brauchen nie was -  und da stellt sich heraus, dass die Gruppe aus Schweizern und Franzosen besteht. Besonders freuen wir uns, dass wir mit Maurizio aus dem Baselbiet gemeinsame Bekannte haben, Zufälle gibts! Wir können sie schliesslich doch noch überreden, ein paar Vorräte von uns anzunehmen, damit sie heute abend währschafte Aelplermagronen kochen können, sie können die Kalorien besser gebrauchen als wir! 
Die Wellblechpisten fordern alles von Mensch und Fahrzeug, wobei angepasster Reifendruck und optimale Geschwindigkeit schon mal die halbe Miete sind. Häufig kann man sich den „Schwierigkeitsgrad“ selbst aussuchen, teils verteilen sich die Spuren über mehr als 100 Meter Breite - die Dakar lässt grüssen? Tico macht alles brav mit, ob Sandpisten oder technische Passagen, er bringt uns sicher zu neuen Rekorden, nämlich den bolivianischen Zoll auf stolzen 5‘033 Meter! Wir wüssten gerne, was der Zöllner angestellt hat, dass man ihn dorthin versetzt hat, neben dem Zoll und einer Boraxmine gibt es hier nur den vermutlich höchstgelegenen Fussballplatz der Welt wobei ich bezweifle, dass hier häufig in Vollbesetzung gespielt wird. Langweilig scheint es dem Zöllner da oben auf jeden Fall nicht zu sein, sichtlich genervt, dass wir ihn bei was weiss ich gestört haben, schickt er uns harsch davon, heute und morgen hätte sein Kollege Dienst unten an der Grenze. Tja, das wüsste man schon gern bevor man sein Auto hier hinauf quält aber wir nehmens gelassen, das ist eben Latinostyle…
Die schönsten Momente auf der Lagunenroute sind die Morgenstunden, wenn es windstill ist, die Sonne die Berge erhellt und die Flamingos langsam aus ihrer Froststarre erwachen. Kein Laut ist zu hören ausser der Cafetera, die verheissungsvoll vor sich hin blubbert.
Am letzten Abend gönnen wir unseren sonne, wind- und kältegeplagten Körpern ein Bad in den heissen Quellen an der Laguna Chalviri - nicht dort wo sich die Touristen der zahlreichen Offroadtouren alle in einen Betonpool quetschen, nein der unscheinbare Pool weiter nördlich, der gerade mal Platz für 2 Personen bietet - danke für den Tipp Flizzers ;-) Wir liegen im warmen Nass, geniessen das Panorama und beobachten die Andenflamingos, die keine 10 Meter vor uns in der Lagune nach Nahrung suchen... ja Freunde, manchmal ist das Leben schon grausam…
Tatsächlich können wir am nächsten Tag an der Grenze die Zollformalitäten fürs Auto erledigen, soll mal einer sagen es funktioniere nichts in Bolivien!
Nun reisen wir also nach Chile ein. Ein modernes, geregeltes und zivilisiertes Land, sagt man. Wie zur Untermauerung dieser Aussage beginnt bereits wenige Meter nach der Schranke bester Asphalt, die Tempolimite ist geklärt und auch die nächste Notfallspur für LKWs ist bereits signalisiert, denn jetzt geht’s nur noch runter, 2‘000 Meter bergab in die Wüste nach San Pedro de Atacama.
Alles tip tip, nur wo können wir denn jetzt einreisen? Weit und breit kein Zollhäuschen in Sicht, doch halt, dies ist eine Geschichte für sich und steht im nächsten Reisebericht… ;-)


Fazit Bolivien
Bolivien ist mühsam zu bereisen, die Leute sind unfreundlich, korrupt und die Tankerei eine Katastrophe… keine der oft gehörten oder gelesenen Aussagen können wir auch nur ansatzweise bestätigen! Bolivien ist ein phantastisches Land mit herzlichen, aufgeschlossenen Menschen.
Auch wenn wir nur 2 Wochen im Land waren und lediglich den Westen bereist haben, können wir nur sagen, wir haben jeden Tag genossen, gestaunt und unglaublich viel erlebt. Es gäbe noch viel zu entdecken in dem riesigen Land, doch liegen die Highlights ganz klar in den Bergen. Wer weiss, vielleicht ergibt sich irgendwann doch noch die Möglichkeit das Tiefland zu erkunden, der Pantanal wäre bestimmt auch noch spannendes Abenteuer.
 
Zu den Zahlen:
15 Tage haben wir in dem schönen Land verbracht und dabei 1‘382 km zurückgelegt, dies sind lediglich 92 km pro Tag - dies liegt einerseits an der Woche in La Paz und an den vielen Fotostops auf der Lagunenrunde ;-) ). Für die westliche Lagunenroute sollte man sicher 400 km einplanen von der letzten Tankmöglichkeit in San Cristobal bis zur nächsten Tankstelle in San Pedro de Atacama in Chile. Zusätzlich sollte genügend Mehrverbrauch eingerechnet werden aufgrund der Höhe und der Beschaffenheit der Pisten (sandige Abschnitte).
Die Tagesausgaben lagen bei 53 CHF, diesmal nahm der Posten Restaurant einen grösseren Anteil ein, daran ist wohl die gute Küche des Hotel Oberland und der Pizzeria beim Camping Schuld. Dafür haben wir an den Übernachtskosten gespart, ausser in La Paz haben wir ausschliesslich wild gecampt - nicht weil wir mussten, sondern weil es schöne Plätze zuhauf gibt.
Noch ein Wort zu den Nationalparks in Bolivien. Wohin das nicht unerhebliche Eintrittsgeld jeweils verschwindet, ist nicht ganz klar, auf jeden Fall wird es unserer Meinung nach nicht genügend zum Unterhalt der Parks eingesetzt. Es gibt weder Infrastruktur noch Abfalleimer noch Infomaterial. Weder Flora noch Fauna werden irgendwie geschützt und das finden wir richtig schade. Bolivien verfügt über unglaubliche Naturschätze die es wert wären bewahrt zu werden.

Nach oben