Mexico 4 - Zentrales Hochland Teil 1
Sierra de Organos
Wir verlassen das
bergige Chihuahua und fahren nach Süden. Durango - schon der Name klingt
nach einem alten Wildwestfilm und genauso kommen wir uns vor. In einem
breiten Tal fahren wir südwärts. Steppe begleitet uns und die Ausläufer
der Sierra Madre. Wir bewegen uns auf einer Höhe um die 2‘000 Meter und
doch ist das Land trocken mit teils mannshohen Kakteen. Morgens muhen
uns die Kühe neugierig ins Auto und stolze Gautschos traben auf ihren
Pferdchen an uns vorbei, fröhlich winkend mit dem Lasso in der Hand. Die
Stadt Durango lassen wir rechts liegen, unser Ziel ist die Sierra de
Organos, ein Nationalpark mit tollen Felsformationen. Für gerade mal 2
Franken pro Person dürfen wir uns zwei Tage im Park aufhalten und campen
wo wir wollen, das ist doch mal ne Ansage. Der Park ist wunderschön
angelegt, mit Wanderwegen und Picknick-Areas, umrahmt von den
spektakulären Organ Pipe-Felsen, die uns schon in Arizona begeistert
haben. Wir laufen alle erdenklichen Wanderwege und können uns kaum
satt sehen an den Farben und Formen. Nachts sind wir völlig alleine, nur
die frechen Wildesel, die versuchen an den Inhalt der grossen Mülltonne
gegenüber zu kommen, stören unsere Idylle.
Am nächsten Morgen geht’s
nach Sombrerete. Wir haben uns das hübsche Dorf ausgesucht, um unsere
Wäsche waschen zu lassen während wir im Internet rumhängen. So weit der
Plan. Nun ist es aber so, dass ein mexikanischer Feiertag vor uns liegt
und Sombrerete sich für ein rauschendes Fest rüstet. Ueberall wird
aufgebaut, geputzt und gefegt, es herrscht ein Verkehrschaos und wir
müssen aufpassen, dass wir nicht von einem der vielen Eimer Wasser
getroffen werden, die grosszügig übers Trottoir geschüttet werden, damit
die Stadt fürs Fest vor Sauberkeit strotzt. Natürlich finden wir in
diesem Chaos weder Internet noch ne Wäscherei und so genehmigen wir uns
wenigstens ein frisch grilliertes Poulet, bevor wir uns aus der Stadt
trollen.
Zacatecas
Das zentrale Hochland ist
Heimat der vielen Kolonialstädte Mexicos. Zur Zeit der ergiebigen
Silberminen zu Reichtum gekommen, wird dieser in Form von prunkvollen
Kirchen, Palästen und anderen Bauwerken zur Schau gestellt. Zacatecas
besitzt eine der grössten Silberminen der Welt. Per Bahn fährt man in
den Untergrund, wo sich unterhalb der Stadt ein Labyrinth von Stollen
ausbreitet. Das wollen wir uns natürlich nicht entgehen lassen.
Zacatecas
hat keinen eigentlichen Campingplatz, so stellen wir uns auf den
Parkplatz eines luxuriösen Hotels. Wir kommen uns zwar etwas deplatziert
vor mit den staubigen Kleidern auf den Samtsofas in der Lounge, aber
die Aussicht auf die Stadt von unserem abgelegenen Parkplatz ist
sensationell. Ausserdem sind die Sanitäranlagen tadellos und das
Internet blitzschnell, was will man mehr. Bei der Stadtbesichtigung sind
wir weniger erfolgreich, aber das ist eigentlich nichts Neues. Wir sind
keine Städtefans und machen uns hierbei jeweils selber das Leben
schwer. Auch diesmal wird es eine Odyssee. Unser Stadtplan stimmt hinten
und vorne nicht, jeder von uns weiss es besser als der andere und so
irren wir etwas planlos durch die riesige Altstadt. Den Haupteingang der
Mine finden wir nicht, obwohl er mitten in der Altstadt liegt. Auch
sonst haben wir uns mal wieder so gar nicht vorbereitet was wir angucken
wollen mit dem Ergebnis, dass wir einfach so durch die Gegend
schlendern und uns an den schönen Kolonialgebäuden erfreuen. Wenigstens
finden wir die Hauptattraktion, die prunkvolle Kathedrale. Gut, mit
ihren Türmen ist sie auch kaum zu übersehen. Spontan besuchen wir das
Folter- und Inquisitionsmuseum, das stilgerecht in einem alten, etwas
unheimlichen Haus untergebracht ist. Die Privatführung ist auf Spanisch,
aber hey, nach 2 Monaten in diesem Land sollte das ja kein Problem
sein. Ja weit gefehlt. Leider hat mein Spanisch-Lernprogramm keine
Lektion zum Thema Foltern und Morden,und die entsprechenden Ausdrücke
gehören auch nicht gerade zu unserem Grundwortschatz na auf jeden Fall
verstehen wir grad mal 10 % von dem, was uns die sehr engagierte junge
Dame erzählt, was wir aber nicht zugeben und so bleibt uns nichts
anderes übrig, als nach jeder ihrer Ausführungen beeindruckte Gesten und
Geräusche hervorzubringen sowie eine möglichst entsetzte Miene
aufzusetzen. Zum Glück sprechen die verschiedenen Folterinstrumente für
sich oder sind mit grotesken Puppen bestückt, um das grausame Potential dieser Geräte besser in Szene zu setzen.
Erleichtert
verlassen wir das Gruselkabinett und erfreuen uns wieder der Farben und
Lebendigkeit der Stadt. Obwohl wir sicherheitshalber ein GPS mitgenommen
haben, finden wir den Rückweg hoch zum Hotel natürlich nicht und laufen
bei Dunkelheit durch Teile der Stadt, welche wir nicht wirklich zu
finden erhofft haben. Doch nach einer kleinen „Abkürzung“, sprich einer
Kraxlerei den steilen Hang hinauf finden wir schliesslich wieder zu
unserem Auto.
Am nächsten Morgen erholen wir uns am Frühstücksbuffet
von den Strapazen des letzten Tages und schlemmen uns so richtig von
rechts nach links durch das reichhaltige Angebot. Hmmm… das hatten wir
letztmals vor 10 Monaten in der Karibik! Am Nachmittag nehmen wir das
Projekt Silbermine nochmal in Angriff und scheitern tatsächlich ein
weiteres Mal. Zugegeben, den Eingang per Auto zu finden war eine sau
doofe Idee. Nach einer längeren Irrfahrt landen wir auf einem
überfüllten Parkplatz wo es weder vorwärts noch rückwärts geht, von
Wenden ganz zu schweigen! Die Stadt ist voller Menschen, das lange
Wochenende in vollem Gange und offenbar will jeder an einer Minentour
teilnehmen. Aber so schnell geben wir nicht auf, Plan B muss auf den
Tisch. Ich lotse Dani aus der Altstadt und in einem weiten Bogen fahren
wir auf den Cerro de la Bufa, den Aussichtspunkt auf der anderen Seite
der Stadt. Von da fährt nämlich eine Seilbahn in die Nähe der Mine. Doch
auch dieser Plan ist zum Scheitern verurteilt weil der Massenandrang an
Besuchern den Verkehr schon weit vor dem Mirador völlig lahmgelegt hat
und zum zweiten die Seilbahn gar nicht fährt, was uns ja eigentlich auch
vorher hätte auffallen können. Aber die Aussicht vom Mirador (zu Fuss)
ist fantastisch und ich sehe runter auf die Altstadt, auf all die
Bauwerke und Paläste an denen wir auf unserem Stadtbummel so zielsicher
vorbeigelaufen sind… Dani hat sich mittlerweile übrigens komplett
verweigert und passt auf Tico auf, während ich zum Mirador hoch gejoggt
bin. Doch nun reichts mittlerweile auch mir mit Stadt und Verkehr und
wir verlassen den Grossraum Zacatecas fluchtartig Richtung Süden,
überschattet von der Enttäuschung, dass wir die Mine nun doch nicht
gesehen haben. Im Nachhinein haben wir festgestellt, dass unser
Hotelparkplatz die beste Ausgangslage für einen Minenbesuch geboten hätte, weil
der obere Mineneingang nämlich genau unterhalb des Hotels liegt. Was
soll ich sagen: Shit happens…
La Quemada
Unsere Flucht endet in La
Quemada - einer präaztekischen Festungsanlage auf einem Hügel. Imposant
ist die Ausdehnung und die vielen terrassenartigen Etagen. Auch die
Zeremonienhalle mit den Säulen ist noch gut erhalten, einzig das Dach
ist irgendwann im 13. Jh. abgebrannt. Wir wandern auf der Anlage herum
und lassen die Fantasie schweifen bis wir um halb sechs rausgeschmissen
werden. Leider dürfen wir in der Anlage nicht übernachten, aber draussen
vor der Barriere sei es kein Problem. Tatsächlich verbringen wir eine
ruhige Nacht hier draussen, noch völlig erledigt von den Strapazen in
Zacatecas.
Ferien bei Charly
Heute haben wir einen langen Tag vor uns, denn wir wollen heute noch zu Charly.
Charly’s
Restaurant ist ein Hot Spot unter Overlandern, vor allem unter den
Schweizern, denn bei Charly - seinerseits Exil-Schweizer - wird
Schweizer Küche auf höchstem Niveau kredenzt, dies in familiärem
Ambiente und mit Annehmlichkeiten, die keine Wünsche offen lassen. Nicht nur dass Charly exzellente Cordon
Bleus und Hackbraten auf den Tisch bringt, nein er macht auch selber
Würste und knuspriges Bauernbrot. Dies alles wäre ja schon Grund genug,
die Reise hier abzubrechen und das übrige Reisebudget zu investieren,
doch da wäre noch der Pool und ohh, hab ich denn schon den Käse erwähnt?
Nein, den macht Charly nicht auch selbst, aber er bezieht ihn vom Käser
in der Stadt, der eine grosse Vielfalt an europäischen Käsesorten
herstellt, wie Appenzeller, Brie, Feta, Reblochon, Morbier und
Raclettekäse um nur einige zu nennen. Charly organisiert uns eine
Führung nebst Degustation in der Käserei, und wir decken uns alle mit so
viel Käse ein, wie unsere Kühlschränke fassen können. Wir das sind
Ruedi & Elvira (Güntisreisen.ch), Nadine & Patrick
(flizzontour.ch) und ein deutsches Overlanderpaar. Wir haben eine tolle
Zeit bei Charly und es wird uns keine Sekunde langweilig. Wenn wir nicht
gerade beim Wursten und Backen helfen, sitzen wir Mädels im Pool
während Dani Holz hackt oder die Räucherkammer überwacht, spielen Phase
10 oder testen uns durch Charlys Speisekarte, Bier- und
Tequilasortiment, während wir den Stammtisch blockieren und mit Edi einem Freund des Hauses derbe Witze austauschen. Ausserdem organisiert Charly für uns weitere
Führungen in Valentins Mühle (ein weiterer befreundeter Schweizer) und
in der bekannten Tequiladestillerie Siete Leguas in Atotonilco, beides
ausserordentlich interessant. So kommen wir auch noch in den Genuss
eines Spaziergangs durch das Städtchen Atotonilco, essen lecker Glacé
und lernen Café Concentrato kennen, was uns allen für den Rest des Tages
Herzrasen verschafft. Doch trotz Charlys sensationellem Rindsfilet und
den gratinierten Kartoffeln fängts nach 5 Tagen wieder an zu kribbeln.
Charly und Edi geben uns wertvolle Tipps für die Weiterfahrt und
schweren Herzen verabschieden wir uns von diesem Paradies, nicht jedoch
ohne Charly noch ein paar Pack Klöpfer (jaaa Cervelats von mir aus),
Brot und ein Glas Kühne Gürkli abgeschwatzt zu haben ;-)
Frisch ausgeruht machen wir uns auf in die nächste Kolonialstadt: Guanajuato!
Besuch in Valentins Mühle
Käserei "QuesArt"
Tequiladestillerie "Siete Leguas"